Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

BERLINTARYN SIMON: A LIVING MAN DECLARED DEAD

Kontextualisierte Fotografie

9. November 2011 von Niele Büchner
Konzeptuelle Fotografie war in den letzten Jahren stark angesagt, man denke nur an den kanonischen Erfolg von Bernd und Hilla Becher oder die vielfach reproduzierten Schokoladentafeln von Christopher Williams. Jüngere Positionen wie Annette Kelm oder Christopher Muller arbeiten erfolgreich in ihrem Fahrwasser, lenken die konzeptuelle Fotografie aber von ihren sachlichen Wurzeln hin zu selbstreferentielleren, poetischeren Positionen. Schon Rancière kritisiert an der sachlichen Fotografie der Bechers, dass diese zwar der Welt der reinen Kunst entkommt, um anhand von Untersuchungen die soziale Welt und ihre Widersprüche zu enthüllen. Gleichzeitig vermeidet sie aber den Eindruck Politik machen zu wollen, durch den Verzicht auf Gefühlsausbrüche und aktivistisches Engagement bei gleichzeitiger Verschönerung der industriellen und marktwirtschaftlichen Welt. Taryn Simon scheint diese Kritik beherzigt zu haben und fügt dem strengen formalen Konzept noch eine Ebene hinzu: die informativ-aufklärerische.
Wie schon in ihren früheren Serien ist kontextualisierender Text, den sie den Fotografien hinzufügt, in der Ausstellung ‚A Living Man Declared Dead and Other Chapters’, in der Neuen Nationalgalerie, ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. In einer Art Triptychon sind drei ... weiterlesen »

DÜSSELDORFJAN PAUL EVERS: WAS DAS SCHWARZ DEM WEIßEN ZEIGT

Schwarzweiß

31. Oktober 2011 von Michael Staiger
Abbildung zu
Analoge Fotografie als Mittel der Verklärung: Ausstellungsansicht (Foto: Galerie Max Mayer)
Handabgezogene, körnige Schwarzweiß-Aufnahmen von architektonischen Details oder Ausschnitten aus Porträts präsentiert in weißen Objektrahmen. Die Galerie Max Mayer zeigt Arbeiten von Jan Paul Evers. Sie zeichnen sich durch einen wunderbaren Schwebezustand zwischen Gegenständlichkeit und abstrakter Komposition aus. Arbeiten so filigran und mit handwerklichem Raffinesse gezeichnet, dass einem das Wort "poetisch" geradewegs zufliegt. Aber sie erschöpfen sich nicht im Poetischen: hier liefern sie eine gekonnte Reflexion des fotografischen Mediums durch die Erfahrbarmachung seiner technischen Grenze, dort öffnen sie, durch ihren zurückgenommenen Inhalt, den Blick auf den Raum und die Bedingungen der Präsentation.
Genug, jetzt im Ernst: In der neuen Galerie von Max Mayer sieht man sich derzeit einer Ausstellung gegenüber, die äußerst fragwürdige Versatzstücke kombiniert: Ein Medium das kaum mehr existiert, der Versuch diesem Medium näher zu kommen indem es an seine ... weiterlesen »

BERLINKUNST UND PHILOSOPHIE

Kunst und/oder Philosophie

27. Oktober 2011 von Niele Büchner
Rollen wir die ganze Sache von hinten auf: In der Berliner Galerie BQ war bis vor kurzem noch eine Ausstellung des Philosophen Marcus Steinweg zu sehen. Er präsentierte dort eine Reihe seiner selbst angefertigten Diagramme, auf denen er philosophische Begriffe und Namen von PhilosophInnen zueinander in Beziehung setzt. Obwohl die dreißig Diagramme unterschiedlich sind, ist doch die Machart stets die gleiche: Namen/Begriffe werden angeordnet, mit einem Kasten versehen und mit buntem Edding mit den anderen Namen/Begriffen verbunden. Das Ganze wird dann mit Klebeband „übermalt“. Der betont geometrische Aufbau der meisten Diagramme suggeriert, es gäbe eine mögliche Ordnung, nach der diese Begriffe zueinander gehören, doch scheint es Steinweg viel mehr darum zu gehen, die Absurdität jeglicher Ordnungsbemühungen offenzulegen. Denn: „Die Diagramme müssen so klar wie möglich sein, aber sie dürfen keine Klarheit vortäuschen.“ Statt um systematisierende Diagramme handelt es sich vielmehr um poetisch-abstrakte Denkbilder, die das Bedürfnis nach Ordnung und Übersichtlichkeit offenlegen ohne es zu bedienen.
Abbildung zu
Eines von Steinwegs Diagrammen in der Galerie BQ
Gefragt wird offenbar auch nach dem ästhetischen Mehrwert dieser Arbeiten. Handelt es sich um Kunstwerke oder Visualisierungen philosophischer Gedanken? In einer Art Manifest in zehn Punkten behauptet Steinweg: „Nie geht es darum, einen ästhetischen Mehrwert zu erzeugen.“ Er grenzt sich damit recht deutlich von dem Anspruch ab, Kunst zu machen. Doch was machen die Diagramme dann in einer Galerie, die ihnen unweigerlich einen ästhetischer Mehrwert zugeschreibt? Die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Kunst drängt sich auf und wird im gleichen Atemzug verneint.
In der noch laufenden Ausstellung „Kunst und Philosophie“ im Neuen Berliner Kunstverein wird die Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Kunst nun ebenfalls gestellt – nur in umgekehrter Reihenfolge. Marcus Steinweg, der hier als Kurator agiert, beantwortet sie jedoch ähnlich ... weiterlesen »

HAMBURGHAROON MIRZA & SUNAH CHOI: IS THIS WHERE IT ENDS?

Is this where postconceptualism ends?

5. Oktober 2011 von Erik Stein
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Haroon Mirza: „A Sleek Dry Yell“, 2008-2011 (Courtesy Lisson Gallery)
An der Wand lehnt eines von diesen Casio-Spielzeug-Keyboards aus den späten Achtzigern, denen auf Ebay selten der Hinweis auf ihren heutigen Kultstatus fehlt. Einige Tasten wurden herausgebrochen, statt derer führen jetzt Drähte ins Innere des Instruments. Über ein kleines Holzschränkchen schlängelt sich ein Gartenschlauch durch eine elektrische Platine und mündet in einem Metalleimer. Zwei kleine weißlackierte Beistelltische mit vornehm geschwungenen Beinen halten zwei hochwertig verkleidete Lautsprecher. Einer von ihnen liegt als wäre er gestürzt – zwischen Box und Tisch klemmt eine LED-Anzeige, auf der die Zeit abläuft. Ein dritter, auf den Rücken gedrehter Lautsprecher mit dunklem Holzgehäuse hält eine handvoll britische Pfundstücke auf seiner Membran. Geschmackvolle Gegenstände mit leicht historischem Charakter – ihr Arrangement würde reichlich nostalgisch wirken, hätte Haron Mirza es dabei belassen. Der 34-jährige Brite aber verbittet seinen Gegenständen die museale Einbalsamierung: Sie sind Darsteller, keine Ansammlung sich selbst repräsentierender Objekte.
A Sleek Dry Yell“, so der Titel der Installation, ist derzeit im Kunstverein Harburger Bahnhof errichtet und dort im September mit einer Performance des Londoner Autors und Musikers Richard „Kid“ Strange (dessen Kultstatus den des Casio-Keyboards noch übertreffen dürfte) eröffnet ... weiterlesen »

DÜSSELDORFMARK LEWIS

Kamerastativ nach Hause telefonieren

24. September 2011 von Olaf Mährenbach
Volker Bradke ist eine tragische Figur der Kunstszene. Gerhard Richter ließ ihn in seiner einzigen filmischen Arbeit als verschwommene Silhoutte auftauchen und benannte sogar eine Ausstellung nach ihm. Danach ist er wieder in der Versenkung verschwunden und seitdem mehr Mythos als Mensch. Vor fünf Monaten ist "Volker Bradtke" wieder aufgetaucht: in Form eines vielversprechenden Ausstellungsraums in der Birkenstraße in Düsseldorf. Das Projekt wurde von den Künstlern Adam Harrison, Alexander Lorenz und Philipp Rühr ins Leben gerufen, die einen vierten (Christian Odzuck) damit beauftragt haben, eine Struktur zu entwerfen, die als dauerhafte Installation den architektonischen Rahmen für diesen Raum bildet. So wird jeder ausstellende Künstler zur Auseinandersetzung mit dieser Installation gezwungen, die einfache Inbesitznahme des Raums verhindert und ortsspezifisches Arbeiten unumgänglich. Die entworfene Struktur ist ein gitterartiger Raum im Raum aus schwarzen Dachlatten: Für die ausstellenden Künstler eine erhebliche Zumutung, die wohl deshalb auch gerne mal völlig ignoriert wird.
Abbildung zu
Dauerhafte Struktur von Christian Odzuck. (Courtesy Volker Bradtke)
Nach bisher drei Ausstellungen stellt dieses Mal der in London lebende Kanadier Mark Lewis aus, der unter anderem 2009 seine Heimat auf der Venedig Biennale vertrat. Zu sehen ist einer der für ihn typischen, fast pervers hochauflösenden Filme. In "Black ... weiterlesen »

GERHARD RICHTER PAINTING

Angenehm zurückhaltend

15. September 2011 von Niele Büchner
Es ist ein lauer Sommerabend, wie es ihn dieses Jahr wohl nur noch wenige gibt, und wir überlegen ernsthaft, ob wir wirklich ins Kino gehen sollen – nicht nur wegen des Wetters, sondern auch weil die Befürchtung groß ist, eine pathetische Inszenierung des „teuersten lebenden Maler Deutschlands“ in seiner Industriefertigungsanlage vorgeführt zu bekommen. Da es aber bekanntlich in dieser Jahreszeit schon früh dunkel wird, entschließen wir uns doch für den Film ‚Gerhard Richter Painting‘. Als die ersten Filmbilder von getragener Musik unterlegt sind, scheinen sich unsere Befürchtungen jedoch zu bestätigen. Glücklicherweise folgt dann eine gelungene Mischung aus Aufnahmen in Richters Atelier, Interviews und Begegnungen sowie Bilderreihen seiner bisherigen Werke.
Die Regisseurin Corinna Belz verzichtet auf dramaturgischen Schnick-Schnack. Zudem kommt der Film ohne Kommentarstimme aus. Dennoch gelingt es ihm durch historisches Bildmaterial, Gespräche mit den Assistenten und der Galeristin sowie das Einblenden eines Großteils seiner Bilder, die Biografie und das ... weiterlesen »