Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

GERHARD RICHTER PAINTING

Angenehm zurückhaltend

15. September 2011 von Niele Büchner
Es ist ein lauer Sommerabend, wie es ihn dieses Jahr wohl nur noch wenige gibt, und wir überlegen ernsthaft, ob wir wirklich ins Kino gehen sollen – nicht nur wegen des Wetters, sondern auch weil die Befürchtung groß ist, eine pathetische Inszenierung des „teuersten lebenden Maler Deutschlands“ in seiner Industriefertigungsanlage vorgeführt zu bekommen. Da es aber bekanntlich in dieser Jahreszeit schon früh dunkel wird, entschließen wir uns doch für den Film ‚Gerhard Richter Painting‘. Als die ersten Filmbilder von getragener Musik unterlegt sind, scheinen sich unsere Befürchtungen jedoch zu bestätigen. Glücklicherweise folgt dann eine gelungene Mischung aus Aufnahmen in Richters Atelier, Interviews und Begegnungen sowie Bilderreihen seiner bisherigen Werke.
Die Regisseurin Corinna Belz verzichtet auf dramaturgischen Schnick-Schnack. Zudem kommt der Film ohne Kommentarstimme aus. Dennoch gelingt es ihm durch historisches Bildmaterial, Gespräche mit den Assistenten und der Galeristin sowie das Einblenden eines Großteils seiner Bilder, die Biografie und das Werk Gerhard Richters zu vermitteln. Statt sich selber als Gesprächspartner einzubringen, hält die Regisseurin Begegnungen und Gespräche fest und ermöglicht so, alle Aspekte der Arbeit des Künstlers zu verfolgen: von der Vorbereitung der Farben durch die Assistenten, die Arbeit am Werk, die Vorbereitung von Ausstellungen und die Verhandlungen mit Galeristen und Museumsmenschen bis hin zu reflektierenden Gesprächen mit Kunsthistorikern. Es ist ein geschickter wie naheliegender Schachzug, Experten wie Kasper König und Benjamin Buchloh das Gespräch zu überlassen, wenn es um Fragen der Beleuchtung einer Ausstellung oder die Diskussion kunsthistorischer Vorläufer geht. Corinna Belz führt keine Interviews mit Richter, sondern meldet sich meist nur im Atelier zu Wort, hakt aus dem Hintergrund nach und spricht mit Richter darüber, was die Beobachtung durch die Kamera für ihn bedeutet. Oft geht es ums Sehen – um das, was hängenbleibt oder einen aufhält beim Weitermalen. Nur an weniger Stellen wird das Gespräch persönlich, wenn es um Richters Flucht aus der DDR geht zum Beispiel.
Der Hauptteil des Filmes zeigt jedoch Richter beim Malen. Von April bis September 2009 in seinem Atelier in Köln gedreht, kann man ihn dabei beobachten, wie er Farbschicht um Farbschicht auf die großformatigen Leinwände aufträgt und durch den Einsatz von Ranken, die er über die Leinwände zieht, die für ihn charakteristischen Schlieren schafft. Es ist ein gestischer wie sinnlicher Prozess des Auftragens und Verwischens der Farbe, des Herantretens und Anlegen des Rankens, der durch die bewegliche Kamera und die ausgezeichnete Tonqualität festgehalten wird. Interessant zu sehen ist nicht nur die Technik des Malens sondern auch der Prozess des Prüfens und Korrigierens. Richter zeigt sich als Perfektionist, dessen kritischem Blick nur wenige Arbeiten bzw. Zustände von Arbeiten standhalten. Ohne dass Richter diesen Prozess in große Worte zu fassen vermag, vermittelt sich dem Zuschauer ein Gefühl für Richters Arbeitsweise zwischen Zufall und Abwägen, Verwerfen und Überarbeiten. Ein angenehmer Film, passend zum lauen Sommerabend.

Kommentare

#1) Am 25. Februar 15:23 um Uhr von Thomas Matauschek

Kleine Anmerkung: Richter verwendet »Rakel« nicht »Ranken«, wie im Siebdruck üblich.