Es gibt einem zu denken, wenn ein gestandener Literat sich so unverlangt die Blöße gibt. Die Rede ist nicht von Günter Grass, dessen zunehmende literarische Verkalkung seit Jahren schon offen zu Tage trat; es geht um Feridun Zaimoglu. Nachlassendes literarisches Vermögen kann man dem nicht nachsagen. Der 1964 geborene Romancier, zu dessen sympathischen Eigenheiten unter Anderem die Beibehaltung seines Kieler Wohnsitzes gehört, schreibt seit seinem erfolgreichen Neunziger-Debüt „Kanak Sprak“ kontinuierlich besser werdende Theaterstücke, Kurzgeschichten und Romane. Vor allem Letzteren ist anzumerken, wie Zaimoglu seine Sprache immer weiter und kompromissloser verfeinert. Kompromisslos vor allem gegenüber den Anforderungen einer sprachlich entzauberten Gegenwartsbelletristik. Immer mehr hat ihn seine heimliche Affäre mit der deutschen Romantik zu einem bewundernswerten Eigensinn verführt, zu weitschweifender Detailfülle und Beobachtungsornamentik. Wer sonst in der Gegenwartsliteratur hat noch Humus für Begriffe wie „Blutblüte“ oder „Sichelmondkerben“?
In der Bibliothek der Universität Kiel hat man in diesem Frühjahr neben ein paar übersetzten Versionen von Zaimoglus Büchern, neben Manuskripten (z.B. dem Beginn von „Ruß“) und Schreibmaschinen – auf denen der überzeugte Digitalverweigerer bis heute seine Texte schreibt – auch ... weiterlesen »