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HANNOVERTIMM ULRICHS: BETRETEN DER AUSSTELLUNG VERBOTEN!

Kosuth im Karnevalsverein

31. Januar 2011 von Erik Stein
Man muss dem Mann lassen, dass er Ideen hat. Mehr und weniger gute zwar, aber immerhin so viele, dass man manchen Ahnen aktuellerer Arbeiten von etwa Jenny Holzer, Ceal Floyer und sogar Korpys/Löffler in der Hannoveraner Ausstellung ausmachen kann. So begegnet man dem Timm Ulrichs vor allem als in die Jahre gekommenen Stichwortgeber der Gegenwart: der Künstler als historische Figur. Immerhin, muss man fast sagen, hatte man ihn als solche doch auffallend häufig mit Nichtbeachtung gestraft. Wollte man beispielsweise über das erste menschliche Kunstwerk dozieren, schickte es sich bislang einfach mehr, die coolen Briten Gilbert & George anzuführen (bzw. deren „The Singing Sculpture“ von 1970) als den Sonderling aus der Hauptstadt des Durchschnitts (dessen „Selbstausstellung“ bereits 1961 stattfand). In jüngeren Interviews ist sich Ullrichs denn auch nicht zu schade, den Erfolg der jungen Spunde, die mit seinen Ideen nun die großen Häuser in New York oder London bespielen, offen zu beklagen und hinzuzufügen, dass sich noch keiner von ihnen je bei ihm bedankt hätte. Die umfassende, auf Kunstverein und Sprengel Museum verteilte Retrospektive in seiner Heimatstadt findet man daher nur allzu gerecht. Und wenn man bedenkt, dass Institutionen zeitgenössischer Kunst heute oft genug Zusätze wie „Ideenwerkstatt“ oder „Kalauerlabor“ verdienten, dann ist Timm Ullrichs zweifelsohne einer ihrer Meister.
Abbildung zu
Auf der Suche nach seinem Platz in der Geschichte: Timm Ulrichs im Kunstverein
Was sich von der aktuellen Haute Couture mit Ulrichs in Verbindung bringen lässt, kann man grob in zwei Lager teilen: Die einen, wie etwa Korpys/Löffler, ähneln ihm vielleicht äußerlich – auch sie hatten sich einst den Kunstdrucken medialer Kulissen angenommen. Ulrichs versammelte in „Kunst und Leben“ (1978) Fotografien von Kunstdrucken aus der Kulisse von Pornofilmen. Korpys/Löffler interessierten sich in den Neunzigern für die Kunst in den konspirativen Wohnungen der RAF. Allerdings blieben sie nicht beim bloßen Kunstzitieren stehen, sondern inspizierten die kompletten Wohnungen. Schließlich entfernen sich die Arbeiten des Bremer Künstlerduos immer auch von der schnellen Pointe und setzen ein Flanieren der Gedanken in politischen aufgeladenen Räumlichkeiten dagegen. Nicht so beim zweiten Lager, dem wohl Ceal Floyer zuzurechnen wäre. Ihre Sammlung von Papieren, die in Schreibwarenläden zum Ausprobieren der Stifte ausliegen („Pen on Paper“, ausgestellt z.B. in ihrer Ausstellung in den Berliner Kunst-Werken 2009) ist tatsächlich nicht mehr als das, was Ulrichs bereits 30 Jahre zuvor gemacht hat. Es gibt zu diesem eigentlich nur den Unterschied, dass Leute wie Floyer ihre Pointen heute mit mehr Sinnschwere beladen. Sie nehmen sich ungleich wichtiger als Ulrich, der von Ideen dieser Art zwei am Tag raus haut. Er versteckt den Kalauer nicht hinter großen Theoriegebäuden und dem gehobenen Stil von Abstand, weißer Wand und ehrfurchtgebietenden Rauminimalismus. Das die Ausstellung Ulrichs im Kunstverein für heutige Verhältnisse relativ dicht gebaut ist, passt da ins Bild. Die Ausstellung in Hannover ist ein gelungener historischer Blick auf eine Epoche, in der Kunst gut war in der Geste des Absurden und Verkehrten. Die Slominskis und Floyers versuchen solche Gesten heute mit der Kraft reduzierter Gestaltung zu veredeln – das sollte aber nicht darüber hinweg täuschen, dass auch sie längst das Siegel der Aktualität verloren haben.
Zur weiteren historischen Einordnung eignete auch das Referat von Beat Wyss, das er im Rahmen eines Gesprächsforums (Titel: „Mythos Konzept“) am vergangenen Samstag in der Ausstellung im Kunstverein vortrug. Mit dem Werkzeug der Peirceschen Semiotik (Ikon-Index-Symbol) nahm er sich drei klassischen Vertretern der Konzeptkunst an: Kosuth, Sol LeWitt und eben Ulrichs. Und wenn das in der Kürze der Zeit auch einigermaßen ungehobelt vor sich ging, war doch die abschließende Unterscheidung von amerikanischer und deutscher Konzeptkunst überaus bemerkenswert. Die amerikanische Spielart nämlich wollte Schluss machen mit der Psychoanalyse und vermied jegliche Zwischentöne. Man produzierte Arbeiten, die nicht mehr sein sollten als das, was sie sind bzw. was „der Fall“ ist – Wittgenstein statt Freud. Die Ironie aber ist, dass die Künstler damit allesamt in eine Ästhetik rutschten, die überaus dekorative Formen annahm. Deshalb funktionieren die „pieces“ ja auch bis heute so gut auf dem Kunstmarkt. Von Ulrichs Arbeiten kann man das nicht unbedingt behaupten, zumindest von den früheren Arbeiten nicht. Wyss sieht Ulrichs denn auch in der „alteuropäischen Tradition des Kalauers“ und viel Näher an dem anderen berühmten Hannoveraner: Kurt Schwitters. Er liebt das Paradox und die Mehrdeutigkeiten der Sprache. Ulrichs folge insofern sogar mehr der konzeptuellen Tradition Marcel Duchamps, dessen Arbeiten ebenso voll von unübersetzbaren Wortspielen, von Zwischentönen und vor allem voll von sexuellen Anspielungen waren. Mit den amerikanischen Konzeptkünstlern konnte Duchamp entsprechend wenig anfangen. Er ärgerte sich regelrecht, denn das was sie täten wäre keine Anti-Kunst, im Gegenteil, die Amerikaner machten aus Nichtkunst Kunst – was für ein Missverständnis!
Beat Wyss: Timm Ulrichs im Licht der Semiotik by erik.stein
Gesprächsrunde mit Beat Wyss und Thomas Deecke by erik.stein
Am Ende dämmert einem, was eigentlich fusionieren musste, um den jetzigen marktfähigen Aggregatzustand ironischer Konzeptkunst zu erreichen. Die Konzeptkunst von Kosuth und Konsorten ist ja eine, die aufgrund ihrer fehlenden Zwischentöne nicht entwickelbar ist. Die Dinge sind was sie sind, what you see is what you get – keine Metapher. Dominic Osterried würde mir als einer der wenigen jungen Künstler einfallen, die das auch heute noch bruchlos durchexerzieren. Das Gros hat sich jedoch darauf verständigt, Metapher und Ironie zwar ins Konzept zu integrieren, formal aber möglichst dem andächtigen Chic der amerikanischen Originale nachzueifern. So hat man der Pop-Art die Krone des Konzepts aufgesetzt, und so hat es auch schließlich all die dekorativen Kalauer, die wir heute in den Abteilungen für Zeitgenössisches finden. Ironisch, aber in diesem Zusammenhang dann beinahe tröstlich nahm sich da die Geschichte von Thomas Deecke, der nach dem Referat von Wyss noch etwas mit ihm plaudern durfte. Im Westfälischen Kunstverein hatte Deecke einst eine Ausstellung mit James Lee Byars kuratiert. Hierfür produzierte er in dessen Auftrag ein schwarzes Papier mit der goldenen Aufschrift „the black paper on art“. Kürzlich habe er das Papier in einem Pariser Auktionshaus wiederentdeckt – für 2400 Euro. Dem Publikum verriet er, dass er davon noch einen ganzen Stapel zu Hause hätte.

Kommentare

#1) Am 11. Februar 20:18 um Uhr von Enoch

Der Autor dieses Artikels sollte es unterlassen Jenny Holzer und Ceal Floyer mit diesem Idiotenduo in eine Zeile zu setzen.

#2) Am 11. Februar 20:18 um Uhr von Erik

Äh... Begründung?

#3) Am 12. Februar 20:18 um Uhr von Bobby

Der Autor dieses Kommentars sollte es unterlassen durch pauschale Beleidigungen Unwissenheit und/oder schlechten Geschmack an den Tag zu legen.

#4) Am 12. Februar 20:18 um Uhr von Enoch

Eigentlich habe ich nur geschrieben: Korpys/Löffler, Idiotenduo, bitte nicht in eine Zeile mit den anderen beiden. Anscheinend zeugt dies von Unwissenheit und/oder schlechtem Geschmack. Warum?

#5) Am 13. Februar 20:19 um Uhr von Erik Stein

Warum? Das wäre Ihnen selbst aufgegangen, hätten Sie sich die Mühe gemacht, Argumente für Ihre Forderung zu formulieren. So jedenfalls ist sie, wie Ihr "Idiotenduo", nicht mehr als stumpfes Geblöke.