BERLINPETER PILLER: AM LIEBSTEN SITZE ICH ALLEIN IM AUTO
Nochmal hingelegt
24. März 2011 von Bobby Briggs
Schon in seiner vergangenen Einzelausstellung in der Kölner Galerie Wiesehöfer bediente sich Peter Piller dem Motiv des schlafenden Künstlers. Der selbstironische Titel „Leistungsschau“ wurde in einem kurzen artist statement, das dem Begleittext der Galerie vorangestellt war, kommentiert: „Eine Leistungsschau platzt vor Stolz und hat womöglich nur etwas zu bieten, das einen kleinen Kreis von Menschen interessiert, während sich der große Rest kopfschüttelnd abwendet. Künstlerische Leistung kann durch hartes Training oder durch Ausschlafen erbracht werden.“
Das unscharfe Bild, das letztes Jahr noch nur die Einladungskarte zierte, taucht dieses Jahr im explizit künstlerischen Kontext seiner neuesten Arbeit wieder auf: Es ist eines von 38 Bildern, die in dem Künstlerbuch „Schlaf“ enthalten sind und die allesamt von Pillers achtjährigem Sohn Ludwig Thiessen aufgenommen wurden. Dementsprechend ist die Autorenschaft geteilt („ThiessenPiller“) und eine neue Kategorie im andauernden Projekt Archiv Peter Piller begründet. Bediente sich Piller zunächst aus dem von ihm selbst zwecks Broterwerb durchforsteten Bilderfundus regionaler Zeitungen – später auch anderer Bildarchive unterschiedlichster Kontexte – so zogen mehr und mehr auch eigene fotografische Bilder in das Archiv ein, zumeist aus Peripherieumwanderungen oder Begehungen bestimmter Orte stammend.
Nun kommt als dritte Kategorie die des innerfamiliär erzeugten Archivs hinzu und verknüpft damit die beiden vorhergegangenen Bildfindungsstrategien: Bewusstlos posierend stellt Piller nicht nur das Sujet der Arbeit dar, durch Bereitstellung der Produktionsmittel sowie Auswahl und Kontextualisierung in seinem Werk sorgt er auch für die künstlerische Rahmung der explizit nicht-künstlerischen Bildproduktion seines Sohnes. Die Verweigerung des Tätig-Seins, die augenfällige Abwesenheit des künstlerischen Subjekts (das eindeutig Piller, nicht Thiessen ist) im Moment der künstlerischen Produktion (die immer noch zentral aus den Fotografien besteht) erzeugen so eine Haltung, die surrealistische Lust an Bewusstlosigkeit mit konzeptionell-kühler Enthaltung verbindet und die, im besten Sinne des Wortes, als kokettes Statement zum Selbstbild eines arrivierten, doch nicht angekommen Künstlers zu lesen sein könnte. So ließe sich auch seine hohe Produktivität erklären, die ihn mit geradezu studentischem Gestus Unmengen von digitalen C-Prints an die Wand aufbringen lässt, ohne irgendwelchen markt- oder institutionsbezogenen Konventionen anzuhängen oder sich mit Fragen von Materialsensibilität abzugeben. Letztlich zeigt auch die Diaprojektion zum Ende der Ausstellung, in der das überdimensionale Logo der gutdeutschen Firma „Kraft“ in unterschiedlichsten Lichtsituationen in ebenso bewusstloser Weise aus dem Autofenster fotografiert wird, dass häufig der Weg zur Kunst mit dem Weg zur Arbeit in eins fällt. Ausschlafen ist nicht nur Voraussetzung für, sie kann auch künstlerische Höchstleistung selbst sein.
Kommentare
hinzugefügt sei noch (-stichwort: markt- und materialsensibilität) der recht bemerkenswerte preis für jene publikation, die sohnes bilder enthält: 750€, ed. of 30 so wird die ausbildung in zeiten der privatisierung finanziert.
der preis ist superböse, s.a. ein C-Print kostet 'nen Tausi. Das geht auch billiger.