Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

ÜBER DEN EVOLUTIONÄREN URSPRUNG DES SCHÖNEN

Darwins Frisör

30. Dezember 2010 von Anton Rohrheimer
Aus Anlass des Todes von Denis Dutton (RIP) verweist der Perlentaucher heute auf dessen Vortrag auf der TED-Konferenz im Februar 2010. Passend zum Thema schön illustriert von Zeichner Andrew Park.
Die These selbst – Schönheit folgt evolutionären Prinzipien – ist nicht unbedingt neu. Erst vor ein paar Jahren hat sie beispielsweise der dänische Journalist Tor Norretranders auf rund 300 Seiten ausgebreitet ("Über die Entstehung von Sex durch generöses Verhalten", Rowohlt Verlag 2004). Wie seine, wirkt auch die Argumentation von Dutton durchaus schlüssig. An dieser Stelle bleibt dennoch die Frage, wie sich zeitgenössische Kunst überhaupt zum Komplex Schönheit verhält – und ob vielleicht der fortdauernde Wille zur Hässlichkeit in der Kunst auch nur ein besonders intelligenter Verweis auf Schönheit ist und damit, Dutton zufolge, eine entsprechend clevere Form potentiellen Partnern die eigene Sensibilität und Komplexität zu vermitteln.

TOM TYKWERS NEUER KINOFILM KENNT KUNST

Die Drei vom Salon

29. Dezember 2010 von Erik Stein
Man kannte das bisher nur vom französischen Kino, vielleicht noch vom Manhattan Woody Allens: Mit „Drei“ aber setzt derzeit ein deutscher Film das liberal-intellektuelle Großstadt-Milieu fantastisch in Szene. Er spielt im gegenwärtigen Berlin und seine Protagonisten gehören nicht zu den gefühlten zwei Millionen Überlebenskünstlern, sondern zur verdienenden Klasse. Die hat es ja mittlerweile auch in der ach so armen Hauptstadt. Oh ja, die Eröffnung des Soho-House im vergangenen Jahr in Berlin-Mitte sollte man durchaus als Sinnbild für eines neues Selbstverständnis in der kleinen Weltmetropole lesen. Das filmische Szenario von „Drei“ ist zwar weniger dekadent, aber eben doch reich genug für einen großzügigen Lebenswandel mit viel kulturellem Beiwerk und gutem Geschmack. Für den Mercedes schämt man sich dabei nicht mehr. Auch nicht in Kreuzberg.
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Isch liebe Liebe zu dritt (oben rechts mit Thomas Struth)
Typisch Berlin und typisch 2010 ist auch der kulturelle Rang von bildender Kunst innerhalb dessen. Tom Tykwer bedient sich versiert beim gegenwärtigen Mainstream: Die Hauptdarstellerin tagträumt ihre sexuellen Fantasien via "Made in Heaven" von Jeff Koons, sie realisiert das fortschreitende ... weiterlesen »

HAMBURGINSERT – NEVER THE SAME COLOUR

Insert in dreifacher Hinsicht

13. Dezember 2010 von Niele Büchner
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Ausstellungsansicht im Kunstverein Harburger Bahnhof (Foto: Heiko Karn)
Die Ausstellung Insert wird ihrem Titel in dreifacher Hinsicht gerecht: sie ist erstens Bestandteil des institutionsübergreifenden Ausstellungsprojekts "Channel TV", zweitens ein konkreter Eingriff in die Räumlichkeit des Kunstvereins und drittes ein Einschub in die Ausstellungsreihe "Gefangenes Zimmer" des Kunstvereins.

Zunächst sticht die räumliche Inszenierung ins Auge, die dominiert wird von drei Meter breiten Stoffbahnen mit Lochrasterung, die an der holzvertäfelten Decke aufgehängt sind und dem Raum eine parzellenartige Ordnung geben. In der Mitte des Raumes befindet sich zudem ein zentrales Raumelement, das als Ausgangspunkt für die Ausstellungsreihe "Gefangenes Zimmer" dient. Für die aktuelle Ausstellung öffnen Karn/Mayer/Schlüters das Zimmer, indem sie die Vorder- und Rückfront jeweils zur Hälfte entfernen und durch die Positionierung von Diaprojektoren außerhalb des Grundrisses eine Aufhebung des Innen-Außen Eindrucks bewirken. Das Zimmer wirkt nun wie ein Korridor, der die Blick- und Gehrichtungen lenkt. Er wird durch zwei Diaprojektoren bespielt, die auf die ihnen diagonal gegenüberliegende Wände einzelne Farben des im Fernsehen verwendeten Farbspektrums projizieren.
Im Eingangsbereich gibt es einen weiteren künstlerischen Eingriff, der erst beim Blick aus dem Raum zurück auf den Eingangsbereich in seinem vollen Ausmaß erkennbar wird. Beginnend mit einer Kopie eines Lichtpunktes der Nipkowschen Scheibe ziehen sich diese immer grobflächiger werdenden ... weiterlesen »

HAMBURGMASKE, HANDSCHUH UND SKELETT

Harmlose Vandalen

15. November 2010 von Anton Rohrheimer
Man muss einerseits begrüßen, dass die Jungen von "Vandel" sich als solche ins Leben riefen. Unweigerlich fühlte man sich an die "Akademie Isotrop" erinnert, die Künstlervereinigung, in den neunziger Jahren rund 25 Hamburger Künstler vereinte (darunter André Butzer, Roberto Ohrt und Jonathan Meese). Isotrop organisierte Ausstellungen, ein gemeinsames Magazin und allgemeine Aufmerksamkeit. Ein gleichnamiges Magazin haben nun auch die fünf Maler von Vandel – ja sogar ein Manifest. Das allerdings kommt reichlich getragen daher und zelebriert Satz für Satz das heilige Weder-noch bzw. Sowohl-als-auch ("Vandel hat weder Sinn, noch ist Vandel unsinnig.", "Malerei ist Mittel zum Zweck und ist dennoch autonom") und macht die große Pathos-Welle ("die Zahl der Maschinenmenschen schwillt bedrohlich"). Wirklich überzeugend ist das nicht. Immerhin gehören geschätzte Maler wie Christian Rothmaler zur Vandel-Gruppe und so machte man sich Hoffnung, die Herren würden der Hamburger Malereilandschaft einen frischen Anstrich verleihen.
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Vandelhalle: Blick in den 8. Salon kurz vor der Eröffnung (Foto: Oh No!)
Die Ausstellung "Nur Wahrheit – ehrlich, tod-sicher: Maske, Handschuh und Skelett – der 8. Salon zeigt Werke der Sammlung Kopp und weitere" im "8. Salon", des Vandels Atelier mit Showroom in St. Pauli, war intelligent angekündigt und entsprechend überlaufen. Die fünf Vandalen ... weiterlesen »

HAMBURGINDEX 2010

Credit Points

7. November 2010 von Anton Rohrheimer
Die Index-Ausstellung ist eine Verkaufsveranstaltung, man besucht sie ohne größeren Anspruch. Selbst nicht vorhandene Ansprüche aber können enttäuscht werden, wie ich am Donnerstag bei der diesjährigen Veranstaltung im Kunsthaus feststellen durfte. Die Organisatorin Elena Winkel, die die Hamburger Talentshow wohl nicht zuletzt als heimliches Casting für ihre Galerie gegründet hat, versteht es, ein buntes Colorado für entweder unerfahrene oder besonders risikofreudige Sammler zusammenzustellen. Vom Kunst-Schnäppchen kurz vor Weihnachten konnte in diesem Jahr nicht mehr wirklich die Rede sein. Zwei gelangweilte Mikado-Suchbilder auf Fotopapier (3 Ex. + 2 AP) erhielt, wer 2400 Euro dafür zahlen mochte – den etwas aufgeblasenen Titel "Constructed Happening" gab es gratis dazu. Diese und die drei übrigen Arbeiten von Nina Hollensteiner gehörten trotzdem zum Interessantesten, was die Jugendmesse zu bieten hatte. Es gab sonst kaum Anhaltspunkte für größere Ambitionen, was vor zwei, drei Jahren noch nicht in diesem extremen Ausmaß der Fall war. Dieses Jahr aber durchmischte Winkel die Schau sogar mit Positionen, die als gereifte Hobbykunst ohne weiteres durchgehen würden. Da wollte man nicht mal mehr aufs Namensschildchen, sondern einfach nur noch wegschauen.
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Auf dem Index: Patchwork von Kathrin Wolf (Detail)
Schlimm ist das alles nicht und aus Winkels Sicht nur richtig und ökonomisch geboten. Index war immer eine Verkaufsausstellung, die entsprechend mit kleineren Kunstmessen, etwa der Hamburger "HanseArt", zu vergleichen wäre. Dann müsste man auch fairerweise zugestehen, dass Index da ... weiterlesen »

WOHIN MIT KREATIVITÄT?

Ab in den Giftschrank!

6. November 2010 von Erik Stein
In der aktuellen "Zeit" gibt es ein kleines, aber bemerkenswertes Interview mit dem Soziologen Ulrich Bröckling. Das Gespräch mit Zeit-Redakteur Thomas Assheuer ergänzt einen dreiseitigen Artikel zur „neuen K-Klasse“, zur kreativen Klasse, den Kulturarbeitern in deutschen Großstädten. Zwei Zitate Bröcklings möchte ich Euch nicht vorenthalten. Das erste zum Begriff "kreativ", der seit Jahren ja schon einen gewissen Brechreiz auszulösen versteht, zumal in den besseren Kreisen der Düsseldorfer Kunstakademie, wo man das Merz-Credo "Kreativität ist etwas für Frisöre!" ja noch mit der künstlerischen Muttermilch aufgesogen hat. Bröckling jedenfalls würde zustimmen:
"Das Wort ist vergiftet, weil man es auf wirtschaftliche Innovationen heruntergebrochen hat. Für Richard Florida, den Erfinder der 'creative class', ist kreativ das, was ökonomischen Mehrwert und Wachstum schafft. Um das zu retten, was Kreativität einmal im emphatischen Sinne bedeutet ... weiterlesen »