Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

BERICHT AUS DER DRITTEN WERKSTATT KUNSTKRITIK

Do it yourself, Kollege!

23. März 2011 von Niele Büchner
Kunstkritik ist zur Zeit ein vielfach diskutiertes Phänomen. Sei es aus Sorge um ihre aktuellen Blüten und Bedingungen, sei es aus dem Bedürfnis einer Standortortbestimmung und Feldsichtung. Noch bevor "Texte zur Kunst" ihr 20 jähriges Jubiläum prominent dazu nutze, die Frage "Wo stehst du Kollege? Kunstkritik als Gesellschaftskritik" zu stellen und auch die Berliner Kunstzeitschrift "vonhundert" ein Kritikspezial samt Podiumsdiskussion zum Thema veranstaltete, fand letztes Jahr im Frühling die dritte Werkstatt Kunstkritik der Montag Stiftung Bildende Kunst unter dem Motto "Sprache als Tarnung? Das Dilemma der Kunstkritik" statt, die nun in einer Publikation vorliegt. Darin sind nicht nur ausgewählte von den Teilnehmern geschrieben Ausstellungskritiken dokumentiert, sondern auch Statements der zur Werkstatt eingeladenen Referenten wie Gerrit Gohlke, Hanno Rauterberg und Jennifer Allen, die auf je unterschiedliche Weise auf die Frage nach Kriterien für gute Kunstkritik antworten.
Die in Berlin lebende und für zahlreiche Organe schreibende Jennifer Allen berichtet in ihrem sehr persönlich gehaltenen Vortrag mit dem Titel "Tarnung und Tattoos" vor allem aus der eigenen Praxis. Sie benennt die Schwierigkeiten, den Beruf des Kunstkritikers zu beschreiben ... weiterlesen »

PHILIP GAISSER: STIPENDIUMSAUSSTELLUNG

Evidence: Tight Photography

17. März 2011 von Richard Pauli
Im Festsaal, der Name klingt bunter als die Wirklichkeit, des Künstlerhauses Sootbörn, einem eleganten Mittelschulgebäude aus den zwanziger Jahren, gelegen im peripheren Norden Hamburgs, direkt neben der Flugenhafen-Landebahn, ist - nun komme ich zum Eigentlichen - noch bis zum 20. März Philip Gaißers Abschlußausstellung seines Atelierstipendiums zu sehen. Die kleine Schau ist zu empfehlen, denn der 1980 geborene Gaißer zeigt wieder einmal, daß Fotografie fernab von romantisierenden Bildergeschichten, Vice-style-krass-pics und seriellen Das-Einzelbild-ist-mir-wuppe-Konzeptgeknippse möglich ist.
Abbildung zu
Ausstellungsansicht und das erste Extra des Tages von Philip Gaißer.
Ein großes, gerahmtes Einzelbild eines geblitzten Feigenkaktus' und eine sechssprossige Leiter, auf der eine vom Künstler gekochte Kaktusfeigen-Marmeladenedition (30/30) hockt, Rahmen den Teil des Raumes, den er mit der Malerin Magdalena Sadziak teilt. Die essbare Opuntienart Feigenkaktus ist vor ... weiterlesen »

BREMENKEVIN DRUMM & THOMAS ANKERSMIT: REM KONZERT 80

Klangwucht im White-Cube

13. März 2011 von Adriane Kerkhoff
Wenn in der Reihe elektronische Musik (ReM) ein Konzert stattfindet, kann man davon ausgehen, dass der Abend einen weiterbringt – indem er das Verständnis für komplexe musikalische Strukturen erhöht, oder etwa Gemälde in Bild-Ton-Zusammenhänge setzt, die uns einen tieferen Blick auf die Arbeit ermöglichen. Auch diese 80. Ausgabe, nach dem letzten Performance-Abend in einer schmutzigen Lagerhalle, jetzt in der sterilen Atmosphäre des Museums, erfüllte diesen hohen Anspruch voll. Tiefe Drone-Töne, elektronisches Bordun-Brummen wie von einer gigantischen Klangschale, gingen tief bis in den Magen und zentrierten die gesamte Konzentration genau dort. So erzeugte der niederländische Installationskünstler und Experimentalmusiker Thomas Ankersmit durch erschütternde, eintönig bis ins Mark dringende Klänge einen der seltenen Momente des Ganz-in-sich-seins. Erst später wurden bewusste Gedankenspiele wieder verlangt und aktiviert, als Ankersmit seine feinen Toncollagen mit Hilfe zahlreicher elektronischer Geräte in verschiedene Winkel des Raumes entließ.
So zieht sich ein heller, synthetischer Ton wie der eines Bohrers durch den oberen Teil des musealen White-Cubes, später setzt Ankersmit sein berühmtes, über Verzerrer dunkel und erdig klingendes Saxofon ein, bläst mit voller Konzentration tiefe, rhythmische Basstöne, die den ... weiterlesen »

KÖLNJOEL SHAPIRO

Erschlaffte Geometrie

10. März 2011 von Jonathan Wertheim
Der sogenannte Oberlichtsaal des Museum Ludwig Köln stellt in seiner räumlichen Struktur für jeden ausstellenden Künstler eine Herausforderung dar – die charakteristische „Flugzeugtreppe“, die auf eine etwa sieben Meter hohe Empore führt, von der aus man die Szenerie wie ein Bühnenstück betrachten kann, und nicht zuletzt die gewaltige Deckenhöhe von über zehn Metern bilden die wichtigsten Eckpunkte, zwischen denen sich jede Ausstellung behaupten muss.
Dem New Yorker Künstler Joel Shapiro kam dieses Mal die ehrenvolle Aufgabe zu, sich mit den Möglichkeiten des Raumes zu beschäftigen. Den größten Teil des Raumvolumen ausnutzend ließ er farbig bemalte Holzbretter bzw -platten unterschiedlicher Länge, Dicke und Breite an ... weiterlesen »

HAMBURGDIPLOMAUSSTELLUNG DER HFBK HAMBURG

Bonjour Bedeutungslosigkeit

8. März 2011 von Richard Pauli
Der Wanderer über dem Nebelmeer hat sich abgewandt, in doppelter Weise. 1818 blickte er noch über nebelverschlungene, bizarre Sandsteingebirge in die Ferne-Weite-Himmel-Welt und vielleicht sogar dahinter. Es war ein Blick nach außen, der auch das Innen reflektierte. 2011 nun bleibt vom Wanderer im Sonntagsrock nur eine Fimo-Adaption. Gesicht zeigt die Rückenfigur immer noch nicht, jetzt aber blickt sie in eine weiße Ausstellungswand. Es gibt keine verheißungsvolle Aussicht mehr, sondern nur noch einen Blick auf und in die White Wall, von dort dann möglicherweise noch zur Kunst und ihrem Publikum – doch der Wanderer ist der Welt abhanden gekommen
Diese kleine, zurückhaltende Arbeit von Young-Jin Song ist programmatisch für die diesjährige Diplomausstellung an der HfbK Hamburg, die nach fünftägiger Öffnung gerade zu Ende gegangen ist. Tendenz: Weltabwendung. Was nicht heißt, daß die diesjährigen Absolventen sich in ausgeprägter Ichbeschäftigung verwickelt ... weiterlesen »

HAMBURGMONIKA MICHALKO: KEINER SIEHT ALLES

Weck mich nicht!

5. März 2011 von Erik Stein
Ein paar lose Schwarzweißkopien von zwei kleinen Artikeln liegen aus, daneben die Preisliste. Noch ist wenig geschrieben worden über Monika Michalkos formtropfendes Lummerland. Oder ist das wenige schon zu viel? „Der Abstrakte Geist bemächtigt sich erst eines einzelnen menschlichen Geistes, später beherrscht er eine immer größer werdende Anzahl von Menschen. [...] Diesen Moment nennt man eine Bewegung.“ Das sind ihre eigenen Worte, von denen sie ein paar mehr noch in einen kleinen Katalog gekritzelt hat, der neben den beiden Artikeln die Besucher ihrer ersten Einzelausstellung in der Hamburger Produzentengalerie informiert. Nur was für ein Geist ist es eigentlich, der sich der 1982 geborenen Malerin bemächtigt hat? Womöglich derselbe, der auch in dem malerischen Zeitvertreib mit somnambulen Formgeflechten von Michalkos Kompagnon Christoph Blawert zu finden ist? Und sieht man ihn nicht auch bei anderen Hamburger Träumern? Bei Jonas Brandt? Bei Verena Issel?
Abbildung zu
"Dedans et devant la facade", 2011, Öl auf Leinwand, 280 x 210 cm
Was man sieht sind Formenspiele. Ihre Tiefe wächst nicht mit der formalen Komplexität einzelner Arbeiten, sie wächst auch nicht mit ihrer Größe, wohl aber wächst die Wirkung. Die Tiefe der Arbeiten ist auch keine, die mit philosophischem und kunstwissenschaftlichem Rüstzeug ... weiterlesen »