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KÖLNJOEL SHAPIRO

Erschlaffte Geometrie

10. März 2011 von Jonathan Wertheim
Der sogenannte Oberlichtsaal des Museum Ludwig Köln stellt in seiner räumlichen Struktur für jeden ausstellenden Künstler eine Herausforderung dar – die charakteristische „Flugzeugtreppe“, die auf eine etwa sieben Meter hohe Empore führt, von der aus man die Szenerie wie ein Bühnenstück betrachten kann, und nicht zuletzt die gewaltige Deckenhöhe von über zehn Metern bilden die wichtigsten Eckpunkte, zwischen denen sich jede Ausstellung behaupten muss.
Dem New Yorker Künstler Joel Shapiro kam dieses Mal die ehrenvolle Aufgabe zu, sich mit den Möglichkeiten des Raumes zu beschäftigen. Den größten Teil des Raumvolumen ausnutzend ließ er farbig bemalte Holzbretter bzw -platten unterschiedlicher Länge, Dicke und Breite an jeweils drei bis vier Schnüren aufhängen, wobei diese nach gusto an den Wänden, dem Boden und der Decke befestigt wurden. Man erahnt die Idee einer ungegenständlichen Kompostion, die sich mit dem durch sie wandelnden Betrachter ständig neu konfiguriert und die ihre Spannung durch den Eindruck einer eingefrorenen Bewegung erzielt. – Soweit die Theorie.
Tatsächlich wirkt die ganze Installation merkwürdig schlaff. Die im Katalogtext angeführte „Explosion“, die gefühltermaßen für die Anordnung der Elemente verantwortlich sein könnte, lässt sich nicht lokalisieren – dafür sind die Bretter zu wenig auf ein Kraftzentrum hin ausgerichtet. Alles scheint eher friedlich zu schweben. Zwar stehen alle Bretter für sich im Spannunsgverhältnis ihrer Verschnurung, doch mag das in den seltensten Fällen auf den Rezipienten überspringen. Am ehesten gelingt dies noch mit den Elementen, die auf Betrachterhöhe angebracht sind. Die Kraftlosigkeit der ganzen Installation spiegelt sich auf geradezu symptomatische Weise in der Erscheinung mancher Bretter, die sich auf Grund ihres Eigengewichts schon durchzubiegen beginnen.
Das Gefühl der Planlosgkeit schlägt jedoch an manchen Stellen merkwürdigerweise in sein Gegenteil um: am unteren Eingang der Ausstellung zum Beispiel trifft man direkt auf ein Brett, das knapp über Kopfhöhe hängt und nach rechts aufsteigend in den sich öffnenden Raum hineinweist. Der Einführungsgedanke wird einem hier allzu offensichtlich aufs Auge gedrückt. Ähnlich bemüht erscheint die Einbeziehung des Luftraumes der Empore, also das angedeutete Übergreifen des bunter Allerlei auf die restlichen Räume des Museums. Der Gedanke ist naheliegend und deshalb nicht unbedingt schlecht, doch hat man das Gefühl dass Shapiro an dieser Stelle zu sehr „das Richtige getan hat“.
Wirklich bemerkenswert sind auch die Tape-Markierungen, die die Installationsbesucher vor den in den Boden geschraubten Haken warnen sollen. Angesichts der einfachen Struktur der Arbeit und der geometrischen Erscheinung seiner Elemente werden diese aufgeklebten Rechtecke rein optisch zu wichtigen Mitspielern. Jene Konstellation schiebt sich wie ein großes Fragezeichen vor Shapiros Arbeit. So wird seine Blindheit bzw. Ignoranz offensichtlicher präsentationstechnischer Probleme gegenüber zum eigentlichen Aufreger der Ausstellung.

Kommentare

#1) Am 12. März 01:19 um Uhr von kruger

Zitat: "doch hat man das Gefühl dass Shapiro an dieser Stelle zu sehr „das Richtige getan hat" Was ist das denn für ein Quatsch?

#2) Am 13. März 01:19 um Uhr von Anton

Kunst lebt nun mal davon, nicht "das Richtige" zu tun, sondern darüber hinaus zu gehen. Kann man sich eine "richtige" Kunst vorstellen? Ich nicht. Wohl aber eine Kunst, die versucht, das Richtige zu tun, d.h. vorherrschenden inhaltlichen oder formalen Erwartungen zu entsprechen. Von "guter" Kunst würde ich allerdings mehr erwarten.

#3) Am 19. März 01:19 um Uhr von Jonathan Wertheim

Anton hat es bereits gesagt - mit "zu sehr das Richtige getan" meinte ich die Durchschaubarkeit von Shapiros Entscheidung(en). Die Art und Weise wie er den Luftraum der Empore in die Installation mit einbezogen hat scheint zu logisch - "aha, ich habs kapiert". So gerät der Betrachtungsprozess in eine Sackgasse. Die wenig elegante Anbringung der geometrischen Elemente verstärkt dieses Gefühl noch - die unbefriedigende ästhetische Wirkung lenkt den Blick um so mehr auf die strukturellen Entscheidungen Shapiros, was der Arbeit, wie angedeutet, nicht unbedingt zu gute kommt.