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WOLFGANG-HAHN-PREIS FÜR JOHN MILLER

Verstanden?

1. Mai 2011 von Michael Staiger
Anlässlich der Verleihung des Wolfgang-Hahn-Preises an den US-amerikanischen Künstler John Miller (geboren 1954) findet im Museum Ludwig eine kleine Ausstellung statt, deren Teile sehr unterschiedlichen Arbeitsgruppen angehören und verschiedenen Alters sind. Man könnte das Ganze demnach als eine knappe Übersicht über Millers Schaffen definieren.
Damit steht vorab die Frage, ob so eine Übersichtsausstellung bei einem Künstler wie Miller, ohne eine detaillierte Kenntnis der jeweiligen Werkgruppen überhaupt interessant sein kann. Ohne diese Kenntnis würde die Präsentation doch einmal mehr an folgendem Problem erkranken: Der Betrachter wird einem relativ großen, relativ privaten, mit unendlichen Bezügen ausgestatteten Kosmos des Künstlers ausgesetzt, ohne der Sache wirklich näherkommen zu können. Einzige Hilfe böte ein beiliegender Informationstext. In diesem Fall gestaltet sich das aber anders, nicht nur, weil John Miller Informationstexte innerhalb der Ausstellung kategorisch ablehnt.
Trotzdem ist spürbar, dass die Arbeiten sowohl völlig unterschiedliche Problemfelder bearbeitet, als auch - und das ist das Bemerkenswerte - welche Problematik jeweils angesprochen wird. Diese Spürbarkeit ist mutmaßlich Resultat einer intensiven und genauen Arbeitsweise. Ähnlich divers ist bei Miller auch der Einsatz der Medien, wobei sie bei manchen Arbeiten eine größere Rolle spielen, bei manchen offensichtlich eine kleinere. Und nicht nur der Medien-, auch der Materialbezug wird sehr unterschiedlich ins Spiel gebracht.
Abbildung zu
"Topology For A Museum" (1994) von John Miller
Die Arbeit "Topology For A Museum" (1994) beinhalt kleine Gegenstände wie Säulen aus Kunststoff oder Getränkedosen, die in einem größeren Klumpen Kunststoff zu versinken drohen. Dessen braune Farbe erinnert unverwechselbar an Fäkalien oder Schokolade und rückt so ihre Materialität unmissverständlich in den Vordergrund. Bei der Arbeit "Self-Made Man" (2011), die aus zwei Litfaßsäulen besteht und beispielsweise Fragen des Selbstbilds von Menschen in Kontaktanzeigen behandelt, erhält das Material eine sichtbar geringere Bedeutung.
Abbildung zu
"Self Made Man" (2011)
Was die Ausstellung hinterlässt ist der Eindruck von Fragmentarität und Weitschweifigkeit, ohne jedoch auf der einen Seite zu beliebig - oder zu linear auf der anderen Seite zu sein. Was sich wie die knappe Beschreibung einer Gruppenausstellung anhört, zeugt als Einzelausstellung vor allem von der Fähigkeit John Millers. Er ist in der Lage konkrete Themen zu bearbeiten, dabei aber auf mehreren Ebenen des Verständnisses zu verhandeln. Jede Arbeit besitzt verschiedene Einstiegspunkte, deren Wege dann weder an einem bestimmten Punkt enden, noch in einer bloßen Assoziationswolke verloren gehen.
Wenn eine so operierende Ausstellung aber gut sein kann - und das ist sie zweifellos - steht dann nicht die Erwartungshaltung an Kunst im Allgemeinen zur Frage? Nämlich die Erwartung von Einheitlichkeit und Vollständigkeit einer Präsentation und daraus folgend: von Verständlichkeit? Wenn es, wie bei dieser Ausstellung, die Möglichkeit gibt, auf einer oberflächlichen Verständnisebene einzusteigen, ist ein zielführendes Verständnis im Sinne des Künstlers dann überhaupt noch notwendig?

Kommentare

#1) Am 4. Mai 17:23 um Uhr von Niele

Auf die Fragen noch mehr Fragen: Ist Verständlickeit tatsächlich die übliche Erwartungshaltung bei der Konfrontation und Beschäftigung mit Kunst? Und geht es in Ausstellungen nicht vielmehr erst mal darum einen Zugang zu den Arbeiten zu ermöglichen? Der dann aber weniger ´zielführend` ist, als offen und subjektiv?

#2) Am 7. Mai 17:24 um Uhr von Michael Staiger

Ich denke Zugang ist grundlegendes Verständnis. Man muss schon einige kulturelle und soziale Konventionen kennen um Zugang zu vielen Arbeiten zu bekommen. Das heisst, Zugang wird durch Einhaltung bestimmter, grundlegender Regeln ermöglicht. Und wenn Verständnis im Sinne des Künstlers nicht wichtig wäre, dann hätten die Künstler wahrscheinlich nicht die Rolle, die sie jetzt haben: würden keine Interviews geben und nicht über ihre Arbeiten reden.

#3) Am 12. Mai 17:24 um Uhr von Sven

Inwieweit Verständnis im Sinne des Künstlers wichtig ist, ist rein eine Frage des Zugangs. Man kann Biographie/Kommentare/Erläuterungen wichtig finden, oder auch nicht, in jedem Fall ist es bereits Interpretationssache, welchen Stellenwert man solchen Informationen einräumt.