Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

GLÜCKSTADTINGA KÄHLKE: CAMPIONIDIANIMALI

Von Natur aus

30. Mai 2011 von Erik Stein
Im Palais für aktuelle Kunst in Glückstadt begegnen sich derzeit zwei künstlerische Prototypen. Hier der Ausstellungskünstler, der seine Arbeiten im Raum denkt und zu einem ästhetischen Parcours formiert – dort die Malerin, deren Praxis innerhalb der aufgespannten Leinwand spielt und auch während der Ausstellung nur dort zu ergründen ist.
Abbildung zu
Eggleston lässt grüßen: "Birke unlackiert", 2008
Im Untergeschoss hat der überwiegend fotografisch arbeitende Philip Gaißer sechs seiner Arbeiten unter den Titel „chiuso“ gestellt. In einem der kleinen verwinkelten Räume des schmucken Renaissancebaus hat er einen Leuchtkasten platziert, der 9 Polaroid-Negative illuminiert, auf denen eine Tauchrohrpumpe ihr Werk verrichtet. Links und rechts vom Kasten hängt jeweils eine Fotografie, die aus einem startenden Flugzeug blickt – die eine am linken, die andere am rechten Flügel vorbei. Die Bilder werden von zwei dezenten Strahlern vom Boden aus beleuchtet. Schlicht, atmosphärisch aber durchaus plausibel wirkt dieses Arrangement, wie überhaupt der Auftritt einiges an Eleganz versprüht. Die Qualität Gaißers liegt in dieser Stilsicherheit und einem bemerkenswerten Handwerk, dass vielen seiner Arbeiten zugrunde liegt. Der sich durchziehende „gute Geschmack“ führt bisweilen aber auch ein unbehagliches Moment mit sich. Zu perfekt erweckt dann alles den Anschein von Kunst. Zu sehr wirkt der Druck einer abfotografierte Produktangabe eines Polaroids, die den besagten Negativen beigestellt ist, wie ein Häkchen in der Rubrik Medienreflexion.
Das eigentliche Thema wird zwar elegant umkreist, steuert aber zu selten in wirklich problematische Konstellationen. Man versteht, dass sich das Ganze thematisch irgendwie um die Natur und ihre Beherrschung herum anlegt – um ihre menschlichen Indienstnahmen, seien sie stofflicher oder mythologischer Art. Gegenüber der Makellosigkeit der Arbeiten hat das jedoch fast etwas von einer delikaten Zutat. So überlagert die Brillanz der Oberfläche bisweilen die wunden Stellen ihres Inhalts.
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"Kiruna", 2011, 110*160cm
Inga Kählke riskiert dahingehend mehr. Allerdings um den Preis, dass die Qualität ihrer Arbeiten auch viel stärker variiert. In „Kiruna“ (110*160 cm) etwa, wirken ein zentraler Laubbaum zwischen zwei horizontalen Nadelbaumreihen und ein überdimensioniertes zimmerpflanzenartiges Gewächs in der oberen rechten Bildhälfte ein wenig hastig konstruiert, so als hätten sie ein Bild „dem noch etwas fehlte“ zu seiner verfrühten Vollendung verholfen. In den jagenden Hunden im Vordergrund kann man dagegen schon jene schwer zu bestimmende Besonderheit ausmachen, der man vielleicht irgendwann – mangels Vergleichsmöglichkeiten – den Namen der Künstlerin geben wird: die kählk‘sche Tier- und Pflanzenwelt. Auch Kählke hat die Natur zu ihrem Gegenstand gemacht und sich dabei in einen höchst eigenen Stil hineingearbeitet. Wenn er trifft, kann er das geradewegs, so wie in „Patty“, dessen klumpiger Protagonist unmittelbar in die Melancholie norddeutscher Einöde katapultiert. Oder er schafft etwas, dass eine merkwürdig schiefe Komplexität vermittelt. Eine Komplexität, dessen unterschiedlichen Ebenen (Farbauftrag, Farbwahl, Bildgegenstand, Leerstelle, …) zwar auffasern, wie ein Gedanke, bei dem man den Faden verliert, aber zugleich von einem manifesten Gefühl getragen werden, dessen Wurzeln ebenso glaubhaft wie verborgen bleiben.
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"Campioni del Mondo e di Animali", 2009, 190*230 cm
Das Palais für aktuelle Kunst hat zwei herausragende hiesige Künstler gegeneinander gestellt, die auch eine Anreise aus Hamburg oder Kiel belohnen. Es könnte der vorerst letzte lohnende Beweggrund bleiben. Denn wie man hört hat die Stadt Glücksstadt einem ihrer wenigen kulturellen Lichter, die über die Stadtgrenze hinaus Beachtung erfahren, gerade die Gelder für die kuratorische Arbeit restlos gestrichen. Es scheint fast, als habe sich die Stadt so ihrer eigenen kulturellen Provinzialität vergewissern wollen. Schade eigentlich.