Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

BERLINBASED IN BERLIN

Halbherzig und inkonsequent

16. Juni 2011 von Niele Büchner
Endlich ist letzte Woche die mit Neugier wie mit Argwohn erwartete Ausstellung „based in Berlin“ eröffnet worden. Bevor der Blick auf die Ausstellung gelenkt wird, lohnt ein Blick zurück auf die Hintergründe der Idee und die Kontoversen, die es um das Projekt gegeben hat. Sie haben wohl den größten Anteil daran, dass die Ausstellung nichts Halbes und nichts Ganzes geworden ist und ihre Entstehungsgeschichte vor allem durch Pleiten, Pech und Pannen geprägt ist. Initiiert wurde die Ausstellung von Klaus Wowereit, der damit die Diskussion um die Notwendigkeit einer Kunsthalle für zeitgenössische Kunst in Berlin nach dem Ende der temporären Kunsthalle neuen Antrieb geben wollte. Allerdings stellte er sich dabei nicht besonders geschickt an: sein Ausdruck „Leistungsschau“ erregte ebenso die Gemüter, wie der von ihm präferierte Ort, der Humboldthafen zwischen Hauptbahnhof und Hamburger Bahnhof. Dieses Areal steht in Verruf vor allem deswegen ausgewählt worden zu sein, weil das Gebiet für Investoreninteressen aufgewertet werden soll. Als die Kritik an Konzept und Ort überhand zu nehmen drohte, wurde die Schau kurzerhand in den Monbijoupark und verschiedene andere etablierte Berliner Kunstinstitutionen (KW, n.b.k., Berlinische Galerie sowie die Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof) verlegt. Gerüchten zufolge hat der beratende Kurator Klaus Biesenbach hier die Notbremse gezogen. Der ausgeschriebene internationale Architekturwettbewerb wurde damit obsolet. Statt eine eigene Ausstellungsarchitektur zu entwerfen bzw. mit einem konkreten Ort zu arbeiten, wurde die Ausstellung gießkannenmäßig über mehrere Orte verteilt – wahrscheinlich, damit auch die etablierten Häuser etwas vom Eventcharakter profitieren können.
Das Ergebnis ist ernüchternd: Das ehemalige Atelierhaus ist mit einem Gerüst überbaut, die in einer großen Plattform endet, auf der jedoch der Blick auf die Umgebung interessanter ist, als die drei chinesischen Plagiate westlicher Marken-Geländewagen. Zwar handelt es sich bei dem ehemaligen Ateliergebäude um ein typisches heruntergekommenes Berliner Zwischennutzungsgebäude, doch sind die Räume an sich nicht auratisch genug, um die zum Teil etwas lieblose Präsentation und die widrigen Ausstellungsbedingungen zu übertünchen. Hier wirkt die Ausstellung wie ein Kunsthochschulenrundgang. Obwohl den Künstler Produktionsbudgets zur Verfügung standen, sind nur wenige überzeugende raum- und ortsbezogene Arbeiten entstanden. Als Negativbeispiel kann hierfür Tue Greenforts „Project for European Kunsthalle“ herhalten, das schon 2007 entwickelt wurde und nun mit den zur Umsetzung vorgesehenen Werbeplanen einen ganzen Raum bedeckt – aber auch nicht mehr. Positiv fällt dagegen die Installation von Yorgos Sapountzis auf, die sich über zwei Stockwerke erstreckt. Insgesamt standen dem Projekt 1,4 Mio Euro zur Verfügung, Gelder, die von Kulturprojekte-Berlin und der Lotto Stiftung gekommen sind. Wo die Gelder alle hingeflossen sind, ist etwas rätselhaft.
Das Konzept der Ausstellung ist ebenfalls vage bzw. nicht vorhanden. Die ursprüngliche Idee einer Leistungsschau kann damit nur schwer abgeschüttelt werden. Für die Auswahl der KünstlerInnen war lediglich ausschlaggebend, ob sie ihren Lebensmittelpunkt in Berlin haben und ob sie erst in den letzten fünf Jahren in Erscheinung getreten sind. Ausgewählt wurden letztlich 80 KünstlerInnen. Grundlage für die Auswahl war zum einen ein open call, auf den sich 1250 KünstlerInnen bewarben und eine „aktive Recherche“, bei der die Kuratoren eigenständig Atelier- und Galeriebesuche vorgenommen haben. Auch hier wurde nicht konsequent agiert, sondern ein etwas undurchsichtiger Mittelweg gewählt. Herausgekommen ist ein ziemlicher Misch-Masch. Neben künstlerischen Arbeiten, gibt es zahlreiche Performances, Konzerte, sogenannte „Magazine Nights“ und Diskussionen. Eingeladen wurden zudem Projekträume wie Autocenter, Galerie im Regierungsviertel und PMgalerie innerhalb der Ausstellung eine eigene Ausstellung zu kuratieren, außerdem Buchläden wie Motto und pro qm. Es entsteht der Eindruck, dass alles, was Rang und Namen hat, eingeladen wurde, um möglichst viele mit ins Boot zu holen. Selbst nicht beteiligte Galerien erscheinen als Veranstaltungstipp auf der Homepage. Auch hier ist die Motivlage etwas unklar.
Die Heterogenität der Beteiligten spiegelt sich auch in den Arbeiten: Nur selten gibt es Momente, in denen die Ausstellung tatsächlich kuratiert wirkt und Arbeiten miteinander zu kommunizieren beginnen. Oftmals handelt es sich um post-konzeptuelle Arbeiten, die sich einer inhaltlichen Ebene verweigern, dabei aber häufig nihilistisch wirken und sich hart an der Grenze zum Belanglosen bewegen. Repräsentativ hierfür ist die Arbeit „Melody Malady“ von Simon Dybbroe Møller (2010) bei der „ein Mann an einem Flügel [sitzt]. Er liest ein Buch und klimpert ab und zu eine Note oder zwei, sobald er in seinem Buch auf einen Buchstaben stößt, der eine Note darstellt.“ (Text: Homepage)
Am Anregensten sind noch die Arbeiten in der n.b.k., wie der Film „The Villages“ von Erik Blinderman und Lisa Rave, in dem diese zwei Orte zusammenführen, die über ähnliche Stadtstrukturen verfügen, aber unterschiedlichste Hintergründe haben. Die Rentner-Siedlung „The Villages“ wurde in den 1980er-Jahren im Stil des 19. Jahrhunderts erbaut, während es sich bei Swakopmund um eine deutsche Kolonialsiedlung in Namibia handelt, die Ende des 19. Jahrhunderts im Stil des deutschen Historismus erbaut wurde. Auch die einzige Arbeit, die in der Berlinischen Galerie ausgestellt ist, regt zum Schmunzeln an: Simon Fujiwara hat für seine Arbeit „Phallusies (An Arabian Mystery)“ eine Werkstatt von Kunstrestauratoren nachgebaut inklusive eines prähistorischen Phallus aus Sandstein und dokumentiert in einem Dokumentarfilm die Geschichte des Original-Phallus und seiner Rekonstruktion.
Ob dieses ernüchternden Ergebnisses scheint es, als hätten manche Künstler den Zwiespalt in den sie durch die Teilnahme geraten sind, durch mittelmäßige Arbeiten Ausdruck verliehen. Einzige Ausnahme bildet der Beitrag des Projektraumes „After the Butcher“, der sich dezidiert zu den Diskussionen um die Ausstellung äußert, in dem er erstens ein überdimensionales Porträt von Wowereit aufgenommen vom Künstlerduo Clegg & Guttmann ausstellt und zweitens den Raum während der Ausstellungsdauer für kritische Veranstaltungen zur Verfügung stellt. Auf einem ausliegenden Paper schreiben sie: „wir sind künstler -wir lieben es kunst zu machen und wir machen es mit vollem einsatz, wir verabscheuen es aber, uns über „leistung“ zu definieren. kunst funktioniert weder nach den gesetzen einer dampfturbine, noch nach denen eines tierzuchtsvereins. kunst funktioniert durch intensitäten, widerständigkeit, widersrprüche und irrsinn. kunst – auch wenn es permenant versucht wird – lässt sich nicht objektivieren – kunst ist form und inhalt und gebunden an subjektives wahrnehmen, und das ist auch gut so. […] wir lassen uns nicht instrumentalisieren! wir wünschen uns berliner politik, die ernstzunehmen ist, die auf eine verbesserung der lebensbedingungen der sozial schwachen orientiert ist. […]“
Während „After the Butcher“ die Kritik am Entstehungshintergrund der Ausstellung in diese hineinträgt, ist der Protest der KünstlerInnen, die diesen durch ihre Teilnahmeverweigerung ausgedrückt haben, weniger sichtbar. Der „Offene Brief“, den ca 2300 KünstlerInnen unterschrieben haben und der weite Verbreitung in verschiedenen Medien fand, ist jedoch keineswegs ohne Wirkung geblieben. Neben der Verlagerung der Ausstellung und ihrer Umbenennung in „based in Berlin“ als sichtbare Ergebnisse, hat es zudem Gespräche zwischen den Initiatoren und den Kulturprojekte Berlin gegeben, über deren Ziele und weiteren Verlauf gerade noch diskutiert wird. So fand ein Tag nach Ausstellungseröffnung im Salon Populaire eine öffentliche Diskussion zu der Frage statt, wie man auf die Gesprächsangebote von politischer Seite reagieren soll, wobei die Tendenz dahin ging, einen überparteilichen Workshop zu veranstalten, um möglichst viele Protagonisten und Stimmen zusammen zu bringen. Diese Überlegungen sind um einiges nachhaltiger als die Anti-Ausstellung mit dem besonders kreativen Titel „Leistungsschau“ in der Kunsthalle Hamburger Platz, in der viele KünstlerInnen ausstellen, die von den KuratorInnen abgelehnt wurden.
Apropos KuratorInnen: deren Sichtbarkeit steht in einigem Kontrast zu ihrer „Leistung“: Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver – kein Text und keine Broschüre, der ihre Namen nicht erwähnt, und ebenso die Namen ihrer drei Berater: Obrist, Biesenbach, Macel, die fast wie die Übereltern über der Ausstellung schweben, es aber an Bodenhaftung in Berlin vermissen lassen. Zwar hatten die Kuratoren nur wenig Zeit um ein Projekt dieser Größenordnung zu realisieren und waren mit allerlei Widrigkeiten konfrontiert, aber leider gelingt es ihnen nicht, dem ein überzeugendes Konzept und gut ausgwählte Arbeiten entgegenzustellen. Statt Gewinner, scheint es, als gäbe es am Ende nur Verlierer: die Kulturprojekte Berlin, die eine mittelmäßige Ausstellung mit viel Geld fördert, die teilnehmenden Künstler, die mit dem Vorwurf der Instrumentalisierung konfrontiert sind, die nicht-teilnehmenden Künstler, die um die Chance ihrer Präsentation gekommen sind, die Kuratoren, die eine größtenteils nichts-sagende, halbherzige Show inszeniert haben und Klaus Wowereit, der für seine Leistungsschau bestimmt keine neuen Stimmen gewonnen haben wird. Womöglich bleibt am Ende vor allem die Kontroverse um die Ausstellung in Erinnerung, die aber immerhin gezeigt hat, wie viele streitlustige und engagierte KünsterInnen es in Berlin gibt.

Kommentare

#1) Am 4. Juli 17:13 um Uhr von Cornelius

...,die Kontoversen, die es um das Projekt gegeben hat. Sie haben wohl den größten Anteil daran, dass die Ausstellung nichts Halbes und nichts Ganzes geworden ist und ihre Entstehungsgeschichte vor allem durch Pleiten, Pech und Pannen geprägt ist.

hätte mal alle schön die fresse gehalten wäre es bestimmt eine super ausstellung geworden???