Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

LEIPZIGTIMM RAUTERT: TEXT, NEUE ARBEITEN

Die Fotografie ist böse

24. Januar 2011 von Bobby Briggs
Timm Rauterts Gastspiel in der Leipziger Kleindienst Galerie war für viele die Rückkehr eines ehrenhaft verabschiedeten Hochschulprofessors als „angry old man“. Die umfangreiche Schau neuerer Arbeiten der letzten Jahre wiesen dabei zahlreiche Rückbezüge auf sein bildanalytisches Werk auf. Das heißt: Skepsis gegenüber der Fotografie und ihrem viel be- und abgesungenem Wahrheitsgehalt, versinnbildlicht vor allem im tiefschwarzbelichteten Barytpapier, das aller Information und Indexikalität beraubt als Garant für das wohlreflektierte Post-Fotografische einzustehen hat – und obligatorischer Teil (fast) jeder ausgestellten Arbeit ist. Nicht unkomplex wird das Thema in der 3-teiligen Arbeit „Crazy Horse“ verhandelt: Sie besteht aus einem Wandtext, der die Geschichte des gleichnamigen Indianerhäuptlings rekapituliert, von dem keine Fotografien existieren – dem weitverbreiteten Cliché entsprechend glaubte er, sie raube ihm die Seele. Aus welchen Gründen auch immer wurde eben dieser Name für eine Vielzahl westlicher Kulturgüter verwendet und immer wieder (und stets erfolglos) von dem betroffenen Stamm eingeklagt. So unter anderem im Fall des Pariser Nachtlokals „Crazy Horse“, das der junge Leica-bestückte Timm Rautert 1974 fotografierte.
Abbildung zu
"Crazy Horse II", 2010 (Foto: Galerie Kleindienst)
Interessant ist vor allem der dritte Teil, bestehend aus einer Farbfotografie, dem obligatorischen Schwarzbild sowie einem Bildschirm, der ein prominentes, vielleicht das prominenteste Stück Netzkultur des ausgehenden Jahres 2010 wiedergibt. Man glaube es oder nicht: der Hubschrauber, durch dessen on board-Kamera Millionen Internetuser die gezielte Tötung leichenbergender Iraker auf Wikileaks nachverfolgen konnten, hieß… richtig, „Crazy Horse“. Die Fotografie, und mit ihr freilich die apparativ generierten Bilder überhaupt, scheint (so könnte man Rautert verstehen) immer dort aufzutauchen, wo es was zu gaffen gibt – oder anders: Der indexikalische Bezug zur Realität, und sei er noch so sehr durch Schnitt/Ton/medialen Kontext ideologisiert, bleibt bestehen und bleibt faszinierend. Unnötig zu erwähnen, dass man die Ausstellung verlässt mit der grau-pixeligen Erinnerung an Opfer militärischer Präzision. Who cares about art…