Zuerst einige allgemeine Beobachtungen: diese Ausstellung kommt mit wesentlich weniger Werken aus als ihre Vorgänger. Sie hat dafür das Veranstantaltungsprogramm ausgebaut und ihren Fokus noch stärker auf internationale denn auf in Berlin lebende Künstler gelegt. Der Rest war durch die bereits erfolgten Kontroversen und Berichterstattungen fast erwartbar: kaum künstlerische Werke, dafür ein Occupy Camp in den KW und zahlreiche Dokumentationen von politischen Aktionen und Veranstaltungen, die von dem Anspruch getragen ist, Kunst zu zeigen, die „Realität beeinflusst und einen Raum öffnet, in dem Politik stattfinden kann.“ (Artur Żmijewski im Magazin zur Ausstellung). Die Kuratoren (neben Żmijewski Joanna Wasza und die russische Gruppe Voina) haben ihren programmatischen Ansatz konsequent umgesetzt und die Biennale ins Feld politischen Geschehens überführt. Doch schon hier kann man insistieren: Von welchem politischen Feld ist hier die Rede? Was für eine Form der Wirksamkeit ist gemeint? Welche Realität wird hier angesprochen?
Die Biennale dient der Legitimierung politischer Aktionen als Kunst – wie Joanna Warsza in Bezug auf die Gruppe Voina, die in Russland staatlichen Repressionen ausgesetzt ist, im Magazin erklärt – aber sie zeigt keine Kunst als Kunst, denn solches wäre „ein Diskurs der Schwäche“ (ebd.) . Kunst steht bei dieser Biennale vor allem im Dienste der Politik, d.h. es gibt keine „rein“ ästhetischen Arbeiten oder Arbeiten, die im Sinne Jacques Rancières auch Uneindeutigkeiteiten als politische Ästhetik verstünden. Stattdessen soll die gezeigte Kunst „auf eine Konfrontation hinarbeiten, also einen wirklichen Zusammenstoß von Unterschieden herbeiführen“ (Igor Stokfiszewski im Katalog), was dazu führt, dass die gezeigten Arbeiten und Aktionen direkte politische Botschaften vermitteln. Dahinter verbirgt sich ein politischer Kunstbegriff, der sich von den Spannungsmomenten Rancières ebenso distanziert wie von der Logik der Sensation, die Deleuze in Bezug auf die verzerrten Bilder Francis Bacons entwickelte. Statt die Unterwanderung der Klischees wie bei Deleuze oder das Dazwischen-sein im Verhältnis von Kunst und Politik als politische Strategien zu betrachten, wird einzig die Konfrontation als produktiver Ort der Politik anerkannt. Das macht die ganze Angelegenheit leider etwas einseitig.
Ein weiteres Problem der Konzentration auf politische Protestbewegungen liegt darin, dass bei der Präsentation unterschiedliche Protestformen aus der ganzen Welt mitsamt ihren verschiedenen Kontexten miteinander vermischt werden. Doch das deutsche Staats- und Rechtssystem ist nicht mit Russland zu vergleichen, so wenig wie die Situation der Museen und Kunstvereine in Deutschland mit denen in den USA verglichen werden kann. Wenn Voina in Russland inhaftiert wird, gilt diese Gefahr nicht in gleichem Maß für Künstler in Deutschland. Und wenn in den USA die Museen durch Stiftungsräte dominiert werden, in denen es eine ungute Verkupplung von wirtschaftlichen und „künstlerischen“ Interessen gibt – die zu Recht von der amerikanischen Occupy Museum Bewegung kritisiert werden – trifft dies auf die chronisch unterfinanzierten KW nur unzureichend zu. Die Kuratoren stellen ihren Parcours jedoch so zusammen, als könnte man die verschiedenen Kontexte ausblenden, weil es doch lediglich um den politischen Moment des Protestes und deren Wirksamwerden ginge. Sie haben sich politischen und gesellschaftlichen Ereignissen in Ungarn, Island, Russland, Ägypten etc. gewidmet, aber dabei den Blick auf jene Probleme und Themen vernachlässigt, die spezifisch für die Situation in Berlin sind.
Dabei gehört das Potential einer solchen Ortsspezifik sogar zur Gründungsidee der Biennale und wäre ihr auch 2012 noch gut bekommen. Das Aufgreifen politischer Diskurse der Stadt (Gentrifizierung, Selbstausbeutung, Schulden, etc.) sowie ihrer – in Teilen ja durchaus politisierten – Kunstszene, hätte Betrachterinnen und Betracher gewiss eher zur Reflektion des eigenen Standpunktes eingeladen, als das distanzierte Kopfschütteln über das Unrecht am anderen Ende der Welt. Der Hinweis auf eine globalisierte Wirtschaft allein reicht nicht, um Drogenkriege in Mexiko, Birken aus Ausschwitz und den Nahostkonflikt so unvermittelt und undifferenziert aufeinanderprallen zulassen.
Man muss jedoch Żmijewski und seinen Mitkuratoren sehr wohl zu Gute halten, dass sie durchaus versucht haben, auch ihre internen Strukturen zu beleuchten und zu verändern, mit denen sie während des Ausstellungsmachens konfrontiert waren. So schreibt Żmijewski: „Rund dreißig Prozent meiner Arbeit als Kurator gingen in Auseinandersetzungen innerhalb der Institution.“ Das betrifft das Budget ebenso wie die Entscheidungen, dass der Eintritt kostenlos ist und die Künstler grundsätzlich mit einem Honorar von 1.000 € entlohnt werden. Es betrifft aber auch die Entscheidung, viele Arbeiten erst vor Ort und während der Biennale entstehen zu lassen. Gabriele Horn, Direktorin der KW – also von der institutionellen Seite – formuliert die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemerkenswert direkt in ihrem Eingangsstatement: „Die Institution ist mit dieser Berlin Biennale, in der Artur Żmijewski ohne Rücksicht auf Akzeptanz, Gefühle, Eitelkeiten, Political Correctness, positive Medienresonanz und freundliches Miteinander agierte, ein hohes Risiko eingegangen.“ Dafür sind alle Beteiligten erst mal zu loben. Schade nur, dass dabei so verbissen an einer Auffassung politischer Kunst festgehalten wurde, die eine vermeindliche Wirksamkeit von Kunst in den Vordergrund stellt und vielschichtigeren und reflexiveren künstlerischen Formaten keinerlei Chance gewährt. Damit wird ein einseitiges Bild politischer Kunstpraxen gezeichnet, die ihre politische Wirkung vor allem aus Provokationen und aus der Zeit gefallenen Statements erklärt. Der Anspruch auf diese Weise ein neues „künstlerisch-gesellschaftliches Paradigma“ (Stokfiszewski) zu schaffen, ist vergeben worden.
Man muss jedoch Żmijewski und seinen Mitkuratoren sehr wohl zu Gute halten, dass sie durchaus versucht haben, auch ihre internen Strukturen zu beleuchten und zu verändern, mit denen sie während des Ausstellungsmachens konfrontiert waren. So schreibt Żmijewski: „Rund dreißig Prozent meiner Arbeit als Kurator gingen in Auseinandersetzungen innerhalb der Institution.“ Das betrifft das Budget ebenso wie die Entscheidungen, dass der Eintritt kostenlos ist und die Künstler grundsätzlich mit einem Honorar von 1.000 € entlohnt werden. Es betrifft aber auch die Entscheidung, viele Arbeiten erst vor Ort und während der Biennale entstehen zu lassen. Gabriele Horn, Direktorin der KW – also von der institutionellen Seite – formuliert die damit einhergehenden Schwierigkeiten bemerkenswert direkt in ihrem Eingangsstatement: „Die Institution ist mit dieser Berlin Biennale, in der Artur Żmijewski ohne Rücksicht auf Akzeptanz, Gefühle, Eitelkeiten, Political Correctness, positive Medienresonanz und freundliches Miteinander agierte, ein hohes Risiko eingegangen.“ Dafür sind alle Beteiligten erst mal zu loben. Schade nur, dass dabei so verbissen an einer Auffassung politischer Kunst festgehalten wurde, die eine vermeindliche Wirksamkeit von Kunst in den Vordergrund stellt und vielschichtigeren und reflexiveren künstlerischen Formaten keinerlei Chance gewährt. Damit wird ein einseitiges Bild politischer Kunstpraxen gezeichnet, die ihre politische Wirkung vor allem aus Provokationen und aus der Zeit gefallenen Statements erklärt. Der Anspruch auf diese Weise ein neues „künstlerisch-gesellschaftliches Paradigma“ (Stokfiszewski) zu schaffen, ist vergeben worden.