Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

Lesezirkel

Die Presseschau für Kunst und danach


#27) Presseschau vom 8. April 2012

In einem von Michael Müller übersetzten Essay wundert sich Vincenzo Latronico in der neuen Frieze d/e über die bislang ausbleibende Auseinandersetzung mit der Lingua franca der Global Art World: „Da entsteht jede Menge politisch engagierte Kunst, Kunst die sich kritisch mit den Produktionsverhältnissen oder der Lage der Minderheiten auseinandersetzt; und produziert, erläutert und diskutiert wird sie wie selbstverständlich in Englisch.“ Aber auch wenn er Lust macht, den Tücken des englischen Sprachpunsches nachzugehen – „kurze Sätze, bescheidener Wortschatz, einfache Syntax“ – eine Alternative zum Englisch sieht er nicht: „Es gibt keinen Ausweg.“ Jennifer Allen und Dominikus Müller erklären in ihrer Kolumne außerdem, warum Bilder heute „nach vorne“ und nicht wie einst „nach hinten“ gedacht werden. Das Feuilleton erscheint nach der Eröffnung von Damien Hirsts Retrospektive in der Tate Modernetwas ohnmächtig. In der SZ beispielsweise vermisst Catrin Lorch zwar „jeden Erkenntnisgewinn“, überlässt den Künstler aber weitgehend seinen eigenen Maßstäben: „Hirst ist Designer eines Markenprodukts, dessen neue Entwürfe stets aktueller als die Vorgängermodelle aussehen und dennoch so unverwechselbar Hirst sind, wie ein Porsche vor allem ein Porsche ist, ob in der Sportversion oder als Allradwagen.“ In der Photonews zeigt sich Chriostoph Schaden enttäuscht über die Lebensmittel von Michael Schmidt: „Schmidts Lebensmittel gebiert sich in Teilen wie ein altmeisterlicher Schwanengesang. Gegenüber der westlichen Zivilisation, gegenüber der Fotografie und nicht zuletzt gegenüber dem eigenen fotokünstlerischen Schaffen. Es wird Zeit, sich wieder mit dem Frühwerk zu beschäftigen.“ Zur einzigen Schwäche des ansonsten sehr lesenswerten neuen Kursbuches gerät ausgerechnet der Bildteil mit Arbeiten von Romuald Hazoumè. Da hätte man sich auch bildnerisch ein den Aufsätzen von Armin Nassehi und Ditmar Dath mehr entsprechendes Niveau erhofft.

#26) Presseschau vom 26. März 2012

Und noch eine überflüssige neue Zeitschrift aus Berlin: Upon Paper erscheint im crazy Posterformat von 49*69 cm und wartet mit spannenden Trendsettern wie Wim Wenders oder Christian Boros auf. Die Taz wunderte sich vergangenen Donnerstag darüber, dass auch Art Damien Hirst keinen ihrer Texte vorab lesen ließ, im Gegensatz zur Konkurrenz aber seine Bilder drucken durfte. Möglicherweise war Hirst ja schon der Name des Autors nicht geheuer, der in der aktuellen Monopol gegen ihn polemisiert: Ben Lewis. In der FAS beleuchten Miniaturen von Peter Richter den aktuellen Berlin-Aufreger ums geplante BMW-Guggenheim-Lab in Kreuzberg und halten nebenbei auch fest: „Die einzige Relevanz, die das Kunsthaus Tacheles heute noch hat, besteht darin, Bauprojekte zu blockieren, für deren Nichtzustandekommen man dankbar sein darf.“ Art hat sich mit den Gegnern des aktuellen Prestigeprojekts am Spreeufer unterhalten und publiziert heute außerdem ein Gespräch mit Ai Weiwei, der findet, die deutsche Ausstellung Kunst der Aufklärung in Peking sei „eine ausgezeichnete Ausstellung, aber am falschen Ort, zur falschen Zeit und ohne gute Wirkung“ Ausgerechnet Kultur & Gespenster versucht sich in seiner neuen Ausgabe an einer Adelung des Werks von Anselm Reyle und verpflichtet dafür dessen Katalogtexter Jens Asthoff.

#25) Presseschau vom 19. März 2012

Dass Engländer einen anderen Geschmack als Schweizer haben, erfährt man von Christie’s-Geschäftsführer Dirk Boll im Interview mit der Zeit: „Spitzenpreise für Pferde und Hunde erzielen Sie vor allem in London: Englische Sammler lieben das Landleben. In der Schweiz verkaufen sich dagegen Bergansichten ganz ausgezeichnet.“ Und auf Farben angesprochen wird Alfred Schmela zitiert: „Wenn nichts mehr hilft, dann ein blaues Bild.“ Wie alle anderen berichtet die Zeit auch von der pünktlich zur TEFAF bekannt gegebenen Studie, nach der der Kunstmarkt Chinas den der USA an Umsatz übertroffen hat. Artnet sprach mit der Urheberin der Studie. Etwas belanglos plätscherte das erste gemeinsame Interview, das Thomas Ruff und Andreas Gursky dem Spiegel gaben. Der glaubt jedoch auch allen ernstes, es sei ein „provokatives Bekenntnis in dieser auf Botschaften fixierten Kunstwelt“ wenn die Beiden erklären, es ginge ihnen nicht um Inhalte, sondern ums Bild. Monopol druckt beleidigte Bildbeschreibungen von Damien Hirst, dem sie die Rechte zur Abbildung seiner Arbeiten nicht abschwatzen konntenim Gegensatz zum Konkurrenzmagazin, das Hirst in seiner ersten parallel auch auf englisch erscheinenden Ausgabe als „Zocker“ auf den Titel hievt. Mit einem Interview verabschiedet man außerdem Ute Eskilden, die das Museum Folkwang verlässt. In der FAZ schüttelt Niklas Maak den Kopf über ein Buch, das mit der Forderung aufwartet, 50 % der Kultursubventionen zu streichen: „Und dann die ulkige Forderung der Kulturinfarkt-Autoren, Kunstproduktion habe sich einem „Wirklichkeitstest“ zu unterziehen. Wie sähe der aus? Muss ein Laie beschreiben können, welches wirklich existierende Ding das Kunstwerk darstellt?“ [...] „Wo man hinschaut, bleiben die Axiome vage, eiern die Begriffe: Was die Autoren des „Kulturinfarkts“ vor allem vorführen, ist die Verwüstung, die marktorientiertes Denken in der Sprache anrichtet.“

#24) Presseschau vom 11. März 2012

Ein großer Spaß ist das Interview, das der Spiegel diese Woche mit Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi führte. Auf die Frage nach weiteren Fälschungen, die noch in Museen hängen könnten antwortet der generös: „Lassen wir sie doch hängen. Wäre es nicht reine Eitelkeit, wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, wo noch welche hängen könnten?“ Art und Artnet waren diese Woche in Leverkusen in der Ausstellung von Michael Schmidt, der für seine neue Serie sogar erstmals in Farbe fotografierte. Außerdem war Artnet in der Ausstellung von Gerd und Uwe Tobias, deren Originale Steffen Zillig nicht überzeugten: „Es gibt Bilder deren verkleinerte Reproduktionen ungleich faszinierender erscheinen als die Originale. Die der Gebrüder Tobias gehören zu dieser Sorte.“ Eine Tortour erlebt Dorothee Baer-Bogenschütz, die für die Kunstzeitung eine Woche auf der Suche nach Bildender Kunst durch die Kultursendungen des deutschen Fernsehens zappte. Um Kunstgeschichte und deren jüngere Zäsuren dreht sich alles in der neuen Texte zur Kunst. Nicht begeistert war die Frankfurter Rundschau von Thomas Ruff im Haus der Kunst. Zu seinen „Substraten“ heißt es: „Es heißt, dass Ruff mit diesen großen, weich verschwimmenden Farbfluten ins visuelle Nichts vordringen wollte. Das Gegenteil ist der Fall: Das ist so sichtbar, dass mehr nicht geht.“

#23) Presseschau vom 3. März 2012

Diesmal ist es Klaus Honnef, der eine „ästhetische Entleerung“ der Fotografie beklagt. "Das Schlimmste", schreibt er in der aktuellen Photonews, sei die gängige „Attitüde eines emphatisch zur Schau getragenen Kunst-Wollens. Äußerlich manifest durch übergroße Diasec oder Alubond; durch endlose Wiederholungen des Immergleichen à la Sanderbecherevans“ und „formale Selbstreferenzen mit der Behauptung des Konzeptuellen.“ Anne Haun-Efremides war für Artnet bei Boris Mikhailov in der Berlinischen Galerie und schließt ihre Ausführungen mit einem kunstwollenden Benjamin-Zitat. Barthes und Benjamin – Diasec und Alubond der Fotokritiker. Das Kunstmagazin spielt Texte zur Kunst und befragt in der aktuellen Ausgabe inklusive Englischübersetzung und akademisch-sprödem Sprachgestus das Verhältnis von Kunst und Protest. Kito Nedo und Jörg Häntzschel nehmen in der Süddeutschen vom vergangenen Samstag den Umzug von Galerist Johann König in ein Berliner Kirchengebäude zum Anlass, weitere Beispiele für expandierende Galerien aufzulisten. Auch Die Zeit berichtet über den neuen Tempel für Alicja Kwade, Kris Martin und Co KG.