Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

Lesezirkel

Die Presseschau für Kunst und danach


#32) Presseschau vom 21. Juni 2012

Angesichts der 13. Documenta gerät selbst ein Niklas Maak ins Schwärmen: Die Ausstellung lohne sich „wegen der Entschlossenheit, mit der hier der Kanon der klassischen Moderne umgeschrieben […] wird“, und weil sich in ihr „die Bandbreite aktueller künstlerischer Weltsichten und Obsessionen entfaltet“ Allerdings stellt er seiner Begeisterung auch fast entschuldigend voran: „Man muss bei dieser Documenta zwei Dinge deutlich trennen: die Ansichten ihrer Leiterin und die Qualität der gezeigten Werke.“ Dass diese schwerlich zu trennen sind, beklagt Willy Theobald in der Finacial Times: „Ihren kritischen Kontext erhalten [die präsentierten Werke] aber erst, wenn man sie mit den meist theoriegeschwängerten und wolkigen Ausführungen der Kuratorin zusammenbringt. Und das spricht nicht unbedingt für die Qualität der gezeigten Werke.“ In der Zeit nimmt Philosoph Christoph Menke die Documenta wiederum zu Anlass, ein paar Allgemeinheiten zur Kunst zu verkünden: „Wenn eine Documenta nach dem Begriff der Kunst fragt, dann fragt sie danach, wie die Kunst die Formwerdung aus dem Formlosen vollziehen kann.“ Die neue Texte zur Kunst reicht noch eine Polemik zur Berlin Biennale nach, bei der Johannes Paul Raether und Kerstin Stakemeier sich nicht entblöden, der Ausstellung „völkische Versöhnungsarien“ zu unterstellen. In der gestrigen FAZ scheint Niklas Maak dann wieder in Bestform und bringt im Zusammenhang mit den Jeff-Koons-Ausstellungen in Frankfurt mal eben das Problem des zeitgenössischen Mainstreams auf den Punkt: „Die Verwandlung des Museums von einem Ort, an dem das Bürgertum seine Ästhetik immer wieder neu verhandelt, zu einem Ort, an dem man die kunsthistorische Veredelung des schrillen Geschmacks einer ökonomischen Super-Elite betreibt.“

#31) Presseschau vom 7. Juni 2012

Pünktlich zur Documenta räumen die Magazine ihre Titel für Typografie. Art und Monopol liegen jedenfalls in diesen Tagen in seltener optischer Eintracht am Kiosk. Kein Wunder, hütete Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev (CCB) die visuellen Attraktionen ihrer Documenta doch bisher mit vatikanischer Strenge. Umso mehr stürzt man sich in Kassel nun auf alles was, was vier Pfoten hat oder sonst irgendwie nach Documenta aussieht. Monopol twitterte live von der Pressekonferenz, Frieze d/e vom anschließenden Presserundgang: „Sam Durant in Aue park - it's so cold!“ Oh je, ist das der Kunstjournalismus 2.0? Insgesamt zeichnet sich ein positives Presseecho ab, ganz im Gegensatz zur vernichtenden Kritik an der D12. Im Feuilleton der Zeit, deren Magazin sich ebenfalls der Documenta widmet, klingt Hanno Rauterberg schon beinahe hymnisch: „Dies ist keine Ausstellung, es ist eine Expedition.“ Die Kunst dieser Documenta entziehe sich eindeutiger Ordnung, lasse sich „nicht abheften im inneren Ordnungssystem.“ In der Welt ist Hans-Joachim Müller dankbar, dass die Ausstellung „so gar keine These kennt, die sie bebildern wollte“ und „die Künstler für Stück und Dramaturgie selbst verantwortlich sind.“ Der aktuelle Spiegel hat bereits das Rezept entdeckt, mit dem CCB alle glücklich macht: „Ihre Documenta ist intellektuell genug für die Intellektuellen, feministisch für die Feministinnen, massentauglich, emotional, gelegentlich erstaunlich naiv, sie ist sogar tierlieb und überhaupt ganzheitlich.“ War sonst noch was? Eine lesenswerte Besprechung von Georg Imdahl auf Artnet (die sich in Sachen Documenta bislang auffallend zurückhalten), der den Bildern von Christian Freudenberger im Krefelder Kunstverein einen „nostalgischen Retro-Stil“ bescheinigt, „der Vergangenheit und Geschichte mehr verbrämt als kritisch reflektiert.“

#30) Presseschau vom 17. Mai 2012

Die Süddeutsche hat die inoffizielle Künstlerliste der Documenta online gestellt, fand allerdings nur wenig Überraschendes. Allenfalls ein durch Bakargievs bisherige Tätigkeiten bedingtes Übergewicht amerikanischer und italienischer Künstler. Ob sich Bakargiev durch die Veröffentlichung nun ähnlich „bedroht“ fühlt, wie von der Balkenholskulptur auf dem Kirchturm der Kasseler Elisabeth-Kirche, bleibt abzuwarten. Monopol berichtet als erste über die gestern gestartete Großausstellung „Made in Germany“. Der namenlose Autor ist zwar wenig begeistert von der Zusammenstellung der „durch Galerienvertretungen und durch große institutionelle Auftritte abgesicherten Künstler“, findet aber genügend „wirklich gute Arbeiten“ um den Lesern einen Besuch in Hannover dennoch zu empfehlen. Gegen die „Parolenpinsler“ der Berlin Biennale polemisiert Hanno Rauterberg in seiner Kritik in der Zeit, die jetzt auch online nachzulesen ist. Ein weiterer Beitrag zur Reihe „Die schönsten Verrisse der Biennale 2012“, in der Rauterberg die Aktivisten nach einer hübsch zu lesenden Tirade mit Kant und Schiller zu belehren versucht: „Das Gute der Ästhetik ist nicht das moralisch Gute, es ist nicht das Verantwortliche, sondern gründet sich in einer Erfahrung des Unverantworteten.“

#29) Presseschau vom 1. Mai 2012

Das Urteil ist vernichtend und zwar durch die Bank. Die Berlin Biennale geriet zum Aufregerthema der letzten Tage. Das Rennen um den besten Biennale-Verriss macht dabei Tim Ackermann mit seiner Kritik für die Welt. „Zmijewskis Ausstellung hat die politische Sprengkraft einer Knallerbse“ findet er und kritisiert vor allem das dominierende „Gut-/Schlecht-Spiel“ der letzte Woche eröffneten Politschau. Auch Niklas Maak läuft in der FAZ zu Höchstform auf und empört sich über das „Aschwitz to go“ des polnischen Künstlers Lukasz Surowiec und den „unscharf argumentierenden Zynismus [der] diese Biennale durchzieht“. Bronze geht an SPON-Kritiker Georg Diez, der schreibt, die Biennale habe „den Begriff des Politischen verramscht“. Auf Rang vier der Verrisse schaffen es Dorothee Albrecht und Ludwig Seyfarth via Artnet. Die Biennale sei „weder unter künstlerischen Gesichtspunkten ernsthaft diskutierbar noch auf der Höhe der Diskussionen“ finden sie. Etwas abgeschlagen auf dem fünften Platz landet Catrin Lorch mit ihrem Bericht für die SZ: „Man möchte diese Ausstellung nicht empfehlen, muss jedoch konstatieren, dass es Artur Zmijewski gelungen ist, das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft neu zusammenzuzwingen.“ Das Gallery Weekend sorgt erwartungsgemäß für ein weniger kritisches Echo. Als Medienpartner eröffnet das letzte Woche noch so gelobte Artnet sogar eine „Heldengalerie“ für ihre heißgeliebten Berliner Galeristen. Ihre Kollegen von Art boten mit ihren traditionellen „Berliner Buletten“ wieder Häppchenkost zum Galerienwochenende und verkündeten nebenbei, das Takashi Murakami demnächst eine Galerie in Kreuzköln eröffnet. Auf der Webseite der NZZ findet man den Nachruf von Samuel Herzog und Eveline Suter auf den vergangene Woche gestorbenen David Weiss von Fischli/Weiss.

#28) Presseschau vom 21. April 2012

Artnet ist derzeit definitiv das lebendigste Kunstorgan der deutschen Netzwelt. Zumindest erlauben sie sich am meisten Kontroverse. Diese Woche unterziehen sie Udo Kittelmanns bisheriges Wirken als Direktor der Nationalgalerie einer Zwischenbilanz. Zwar kommt auch Autorin Anne Marie Freybourg an den gestiegenen Besucherzahlen der Berliner Museen nicht vorbei, findet aber dennoch, dass durch Kittelmanns leichtfertigen Umgang mit der Kunst langfristig das Fundament der Institution erodiere. Die FAZ hat Markus Ambach und Kay von Keit getroffen, die in Köln Kunstwerke im öffentlichen Raum einer rigorosen Neubewertung unterziehen, sie ggf. sogar zurück ins Depot verlagern möchten. HA Schult bekommt es bereits mit der Angst zu tun und wünscht „die sogenannten Verantwortlichen ins Depot, und die Kunst soll sich frei bewegen.“ Die Art Cologne sei „auf dem richtigen Weg“ meint Ute Thon in ihrem Bericht auf der Webseite von Art. Im dazugehörigen Magazin empfiehlt Chefredakteur Tim Sommer die Ausstellung „Müde Helden“ in der Hamburger Kunsthalle. Monopol unterhält sich vorm Gallery Weekend mit den Galeristen Judy Lybke, Nicole Hackert, Alexander Schröder und Rudolf Kicken. In der Kunstzeitung räsoniert Hans-Joachim Müller über die Wandlung des Geniekults zum Starsystem und warnt die neuen Kunststernchen: „Denn Star ist, wer einem Star folgt. Stars dürfen nicht bleiben, sonst droht Stau.“ Für die Zeit hat Hanno Rauterberg eine Studie der Zepelin-Universität in Friedrichshafen gelesen, die das Verhalten von Museumsbesuchern auf Herz und Nieren testete. Das Ergebnis: Der Ausstellungsbesuch funktioniert am Besten im Alleingang. „Denn wer sich ihr [der Kunst] ganz alleine nähert, in der so oft verlachten stillen Einkehr, wird die Werke offener sehen und weit eindrücklicher erfahren.“