Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

KURZES ENTSETZEN ZUR 5. PHOTOTRIENNALE IN HAMBURG

Haste auch was von den Atzen?

12. April 2011 von Anton Rohrheimer
Momentaufnahme: DJ und Kurator Ingo Taubhorn spielt für einen Gast der 5. Phototriennale Hamburg und darf sich nicht wundern, wenn man der Photografie (der mit ‚Ph’) ihren Kunstcharakter demnächst wieder aberkennt. Zumindest wenn die Beweisaufnahme von seiner beschämenden Veranstaltung Wind bekommt, wie sie sich vom 1. bis 6. April in Hamburg zutrug.
Abbildung zu
Crossing Bounderies: Kurator im Kundengespräch
Unter der Losung „Viel hilft viel“ wurden da wieder einmal rund 100 Veranstaltungen und 30 Ausstellungen zu einem formlosen, irgendwie photografischen Potpourri zusammengemanscht. Einziges Kriterium für die Teilnahme ist weitestgehende Anspruchslosigkeit in finanzieller und qualitativer Hinsicht. Wer die aufbringt, darf für seine selbstbezahlte Garagenausstellung zum Thema „Meine unrühmlichen Anfänge als Modefotograf“ oder „Guck mal, wenn man das in Schwarzweiß macht sieht das irgendwie voll cool aus“ schon mal fest mit einen Programmplatz in der kommenden Triennale rechnen. Nur keine Hemmungen! Mit Hemmungen ist eh schlecht, wenn man zum Beispiel im „Triennale-Zelt by Pilsner Urquell“ zum Vocal-House-Set vom Chefkurator (im Bild vor dem geschmackvollen Apple-Screensaver-Sreening) die Nominierten des „1/Award by Pilsener Urquell“ tänzelnd begutachten darf. Hier nicht im Bild, aber links und rechts die Tanzfläche flankierend: 10 Mac-Rechner auf denen die Arbeiten der potentiellen Preisträger in Schleife laufen. I like to move it, move it!

Kommentare

#1) Am 13. April 00:54 um Uhr von Martin A.

Auch wenn es hier polemisch zugeht: Der Photografie wurde doch nie irgendein Kunstcharakter anerkannt. Vielmehr hat sich die Kunst an einem gewissen Punkt so verändert, dass sie nicht mehr (oder nicht mehr so sehr) durch ihr Medium definiert wurde. Diese Verwechslung ist häufig zu beobachten und führt zu den abstrusesten Auswüchsen.

#2) Am 13. April 00:54 um Uhr von delacroix

Meta-Kommentar: "Auch wenn es hier polemisch zugeht"..leider ist das langsam ein stetiges, wenn auch durchaus konsequent handgehabtes, Ärgernis hier. Es ist ja ok und bisweilen sogar geboten, etwas zu zerreißen, wenn es etwas zu zerreißen gibt- aber dann lasst uns doch bitte, durch fotographische oder anders orientierte Art und Weise an den Steinen des Anstoßes teilhaben. So eine Kritik macht keinen großen Sinn, wenn ich danach das Gefühl habe, noch nach recherchieren zu müssen, um die entbrannte Polemik einordnen zu können. Es begnet uns im Kunstbetrieb nicht selten eine ungemache Stimmung, die sich bei nährer Autopsie nur als die Wut des Abgelehnten entlarft und selten auf differenzierte Kunstbetrachtung/Kritik fußt... Ein Minimun an wissenschaftlicher Norm sollte gewahrt werden. Vor allem um die eigene Position für andere verständlich zu halten. Oben ist dies leider nicht der Fall...

#3) Am 14. April 00:54 um Uhr von Anton

Vielleicht ist es hilfreich zwei Dinge zu unterscheiden: eine fundierte Ausstellungskritik und einen launigen Kurzeintrag, eine Momentaufnahme wie oben. In einem Blog zu Kunst und Kunstwelt haben meiner Ansicht nach beide Formate ihre Berechtigung. Und für beide Formate gibt es unterschiedliche, im weiteren Sinne journalistische (mehr denn wissenschaftliche) Standards. Wie gesagt, hier geht es um einen knappen, von einer fotografischen Momentaufnahme ausgehenden Kommentar, der sich zum einen in seiner Kürze, aber z.B. auch darin zu erkennen gibt, dass in der Oberzeile nicht die hier standardisierte Form der Ausstellungskritik (Künstler: Ausstellungstitel) verwendet wird. Zur Triennale: Ich glaube es ist falsch, dass man einem solchen Event nur mit langen wissenschaftlichen Analysen begegnen darf. Die Triennale hat sich in ihrem unermüdlichen und rücksichtslosen Willen zur puren Größe hierzu zum Teil selbst schon disqualifiziert. Die Veranstaltung ist daher als Ganzes kaum ernst zu nehmen, wenn sie auch durchaus gute Ausstellungen integriert, aber eben nur einige wenige unter einer Majorität schmerzhaft belangloser (wie oben angedeutet). Wenn ich schreibe, dass die Arbeiten der Nominierten des „1/Award by Pilsener Urquell“, die hier auf Mac-Rechnern als Diashows präsentiert werden (unabhängig davon, ob sie dafür geschaffen wurden), nur räumliches Beiwerk eines mittelmäßigen Vocal-House-Sets des Kurators sind, und das alles noch dazu in einem ziemlich geschmacklosen Partyzelt stattfindet, dann sollte damit eigentlich klar sein, um welche Art von Veranstaltung es geht. Nun kann man sagen, solche Veranstaltungen wären der Kritik, ja nicht mal der Erwähnung wert und läge damit sicher nicht falsch. Aber wie man dem obigen Kommentar vielleicht entnehmen kann, stört mich erstens die Verballhornung der Fotografie als Genre, die dort stattfindet, und zweitens bin ich trotz allem wieder einmal schockiert darüber gewesen, wie weit das geschmackliche Niveau des Rahmens für diese Verballhornung ein weiteres Mal gesenkt wurde. Darum ging es, und nicht um differenzierte Kunstbetrachtung. Ich denke es ist gutes Recht auch diese Rahmenbedingungen von Kunst und Artverwandtem zu bemängeln, ohne gleich dem Verdacht ausgesetzt zu werden, dies sei nur die „Wut eines Abgelehnten“. Nein, ich habe mich nicht für die Triennale oder irgendeiner ihrer Preise beworben! Womöglich hat man in der Kunstwelt nur verlernt mit Leidenschaft zu streiten und empfindet den zunehmenden Wiederspruch deshalb als „Ärgernis“. Ein größeres ist mir jedoch die Aushöhlung der Kunst innerhalb des Eventbetriebs, derenthalben ich mehr Widerspruch, Beschwerde, Polemik und Kritik nur allzu gern in Kauf nehme. @ Martin: Natürlich hat kein Medium an sich Kunstcharakter. Ja nicht einmal ein Werk an sich hat ihn, sondern, wenn überhaupt, nur der ästhetische Moment seiner Wahrnehmung. Der Photographie also diesen Kunstcharakter abzusprechen war ein situativer Wunschtraum, und auch als solcher gemeint.

#4) Am 14. April 00:55 um Uhr von delacroix

hallo, vielen Dank für die klärenden Worte. Gerade der zweite Absatz hat das geleistet, was ich im initialen Kommentar vermisst habe. Das "Ärgernis" war ja auch nicht auf die Haltung oder das Urteil an sich gerichtet, sondern umschrieb die unbefriedigende Begründung eben jenes Urteils. Da das nun geleistet ist, ich den Schilderungen folgen und damit auch dem Urteil zustimmen kann, hat sich die Polemik produktiv über Kritik in Konsens verwandelt...und das ist schon mehr Kommunikationsleistung als die gängigen Kunstberichterstattungen zu leisten vermögen. Danke und aus.

#5) Am 15. April 00:55 um Uhr von Ingo Taubhorn

Lieber Anton Rohrheimer, eigentlich mische ich mich bei derartigen Blocks nicht ein, besonders wenn meine Name genannt wird. Aber jetzt laufen hier so viele Dinge durcheinander und ich habe gerade Urlaub - Entspannung!! - , so dass ich mich kurz zu Wort melden möchte. Richtig ist, dass kaum jemand getanzt hat. Party war nicht wirklich angesagt. Da half auch keine Mucke aus den 70ern. Das Bild als Beweismittel hat es schon in sich. Sieht wirklich lustig aus. Schade eigentlich, dabei habe ich mir richtig Mühe gegeben. Ich bin ja kein Profi, sondern Amateur. Ich habe meine gesamte CD Sammlung von Berlin nach Hamburg geschleppt. Das war richtig schwer. Mir hat es jedenfalls Spass gemacht, wieder einmal als bescheidenens Beiwerk aufzulegen. Vielleicht war der Mittwoch als Abschlussparty von den Veranstaltern falsch gewählt. Nach den Erfahrungen vor drei Jahren - ich glaube die Abschlussparty war an einem Sonntag - ging richtig die Post ab. Deswegen hat mich die 5. Triennale noch einmal eingeladen, wieder Musik aufzulegen. Das fand ich sehr nett. Ich wusste allerdings nicht, wie diese Party beworben wurde. Falsch ist, das ich eigentlich kaum Vocal-House-Sets spiele und eher für meine Retromusik bekannt bin (wahrscheinlich nur in Berlin). Falsch ist auch, das man die Nominierten des „1/Award by Pilsener Urquell“ begutachten durfte. Denn die waren schon längst wieder abgehängt. Was bei den Scrennings zu sehen gab, steht immer noch im Programmheft, jedenfalls hatte es nichts mit Bier zu tun. Und was das geschmackvolle Apple-Screensaver-Sreening hinter meinem Rücken angeht, bin ich schlicht und einfach überfragt. War da was? Ich glaube, man tut den Veranstaltern der 5. Triennale unrecht, wenn man von der Zusammenmanschung (sagt man das so:) eines "photogra(ph)ischen Potpourri" spricht. Ich habe gute Beiträge gesehen, allerdings im Kino, aber darum ging es ja auch diesmal. Um es noch einmal kurz klarzustellen: Ich bin nicht für die Veranstaltungen inhaltlich und organisatorisch verantwortlich. Nicht, dass ich mich hier herausreden will, aber wenn man so einen Block beginnt, sollte man – auch wenn man sich zu recht tierisch geärgert hat – ein bisschen Recherche betreiben. Das kann dann sehr erhellend sein. Dieses Internet ist ja so verdammt geduldig und lässt sich kaum korrigieren, wenn man einmal etwas behauptet hat. Streiten finde ich gut, wenn es gerecht zugeht und nicht beleidigend wird. Aber dieser Satz "die Arbeiten der Nominierten des „1/Award by Pilsener Urquell“ sind räumliches Beiwerk eines mittelmäßigen Vocal-House-Sets des Kurators" hat mich schon sehr verletzt. Denn was meine Musik angeht, bin ich richtig nachtragend.

#6) Am 15. April 00:55 um Uhr von Anton

In der Tat: Was man auf den zehn Monitoren sah war eine „Talentshow mit 10 internationalen Künstlern“ und nicht die Nominierten des „1/Award by Pilsener Urquell“, die dort tags zuvor zu sehen waren – Verzeihung! Am Problem ändert das freilich wenig. Ich erinnere z.B. eine Arbeit in der eine Gruppe Soldaten, womöglich auf den nächsten Einsatz wartend in der Wüste hockt. Schien jedenfalls, als würde es sich eine nähere Auseinandersetzung lohnen. Ob mir dem zuwider laufend dann Vocal-House oder Donna Summer (jedenfalls war es Discomusik mit einer ziemlich lauten und stampfenden Baseline) um die Ohren gehauen wird, ist relativ wurscht. Der Punkt ist: es passt nur nicht, es ist sogar ziemlich daneben! Will man eine gute Party mit lauter Musik und Lightshow oder einen Raum für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit künstlerischen Arbeiten. Mit der Kombination wird man keinem von beidem gerecht – vor allem aber den Arbeiten nicht, die, sorry, in diesem Aufbau wie Beiwerk der Party wirkten. Und richtig, Herr Taubhorn, sind sie nicht Kurator der Triennale, der es ja gerade an Kuratorenschaft mangelte, sondern der feste Kurator des „Haus der Photographie“ der Deichtorhallen, auf dessen Gelände das „Triennale-Zelt by Pilsner Urquell“ stand. Sie sind mit Nadine Barth zudem Kurator der laufenden Ausstellung „Traummänner – 50 Starfotografen zeigen ihre Vision vom Ideal“, die parallel zur Phototriennale zu sehen war. In diesem Fall standen sie nun mal als DJ auf dem Podium einer in meinen Augen ziemlich misslungenen Veranstaltung. Damit ist aber in erster Linie nicht ihr DJ-Set gemeint, sondern dessen Kombination mit Kunst, Bierwerbung und Partyservice. Ein Letztes: Natürlich gab es innerhalb der 30 Ausstellungen und 100 Veranstaltung auch Sehenswertes, das würde ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Das Problem des Zusammenmanschens sind die übrigen 80% und die sich daraus ergebende Verwahrlosung der Auseinandersetzung. Nichts für ungut & schönen Urlaub!

#7) Am 16. April 00:56 um Uhr von Ingo Taubhorn

Lieber Herr Rohrheimer, vielleicht haben Sie Recht. Die verschiedenen Versatzstücke, die hier an diesem Abend zusammengekommen sind, sind nicht wirklich kompertibel. Deswegen ist es auch gut, wenn man hier zur Diskussion einläd und somit im Nachhinein das Gegebene reflektiert. Es stellt sich sowieso die Frage, was aus dem Format "Triennale" in der Zukunft wird. Zu dieser Frage hatte ich am Montag den 4.4. im Zelt eine Podiumsdiskussion moderiert. Es bleiben noch viele Fragen offen. Insbesondere der Festivalkurator ist von Nöten. Vielleicht sollte man diese öffentliche Diskussion noch einmal führen bzw. immer wieder mal führen. Und vielleicht hatte ich auch das Glück die erwähnten 80 % nicht gesehen zu haben. War es denn so grausig? Am Ende bleibt die Frage, die ich hier und jetzt für diesen Block diskussionswürdig finde: BRAUCHEN WIR HEUTE NOCH EINE TRIENNALE DER PHOTOGRAPHIE IN HAMBURG oder ist im Zuge der allgemeinen Wertschätzung des Mediums ein weiteres Fotofestival obsolet? Heute nicht vergessen. LANGE NACHT DER MUSEEN. Auch so ein diskussionswürdiges Format?

#8) Am 20. April 00:56 um Uhr von NetMaatRe

Also Werbung für die Fotografie braucht es eigentlich nicht mehr. Sie hat ihre Liebhaber und die Kunst selbst hängt ja, wie es der erste Kommentar hier schon treffend gesagt hat, nicht mehr am Medium. Aber warum macht man nicht eine konzentriertere Triennale, die es schafft bestimmte Themen zu bearbeiten. Ich war in zwei Ausstellungen und von dem angeblichen Schwerpunkt Kino/Foto hab ich da nichts mitbekommen. Besser 3-5 richtig gute Ausstellungen und 10 richtig gute Diskussionen/Vorträge über drei Tage. Das ganze auf der Höhe der Zeit und mit erstklassiger Besetzung. Dafür würde ich dann auch mal extra nach Hamburg fahren. So war ich zufällig mal zur Triennale in der Stadt und hab die zwei Ausstellungen schlussendlich wenig begeistert mitgenommen.

#9) Am 22. April 00:56 um Uhr von Anton

Dito. Gegen eine solche - erstklassige - Triennale hätte ich nichts einzuwenden. Im Gegenteil.