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DIE NEUE FRIEZE D/E

Mut zur Nische

3. Mai 2011 von Niele Büchner
Passend zur Feier anlässlich des 20ten Geburtstages und rechtzeitig zur Eröffnung des Gallery Weekends in Berlin hat das Frieze Magazin einen deutschen Ableger bekommen. Das Magazin, das nur durch ein d/e im i-Pünktchen als deutsche Ausgabe erkennbar ist, erscheint zweisprachig auf deutsch und englisch. Zwar für den deutschsprachigen Raum konzipiert, nimmt es damit auf die Internationalität des Kunstfeldes insbesondere in Berlin Rücksicht und macht dies auch gleich zum Thema: In einer Gesprächsrunde mit vier Künstlern geht es neben der Frage nach der spezifischen Situation von Berlin als Kunstmetropole um die Bedeutung von Sprache und Sprachkompetenz im Kunstfeld. Eine Frage, die auch die gebürtige Kanadierin und Chefredakteurin Jennifer Allen aus eigener Erfahrung kennt. Die Entscheidung, die Sprachen gleichberechtigt hintereinander zu reihen, anstatt die englischsprachigen Artikel, wie bei ‚Texte zur Kunst‘, in der Mitte zu bündeln, ist da nur konsequent.
Abbildung zu
ie erste Ausgabe der deutschen frieze
Das ‚neue‘ Magazin will sich in der Nische zwischen ‚Texte zur Kunst‘ und ‚Monopol‘ positionieren, also zwischen – polemisch ausgedrückt – ‚Theorieüberschuss‘ und ‚Boulevardberichterstattung‘. Das Themenspektrum ist vielschichtig und beinhaltet neben Ausstellungsbesprechungen und Künstlerporträts Essays zu kunstfeldspezifischen Themen wie Kunstförderung, Akademien und der Internationalisierung des Kunstfeldes.
Zurückgegriffen wird dabei zumeist auf altbewährte Autoren wie Jennifer Allen, Ludwig Seyfahrth, Noemi Smolik und Jan Verwoert, die auch für die englische Frieze geschrieben haben. Dieses Konzept geht auf, wie die schönen Artikel von Ludwig Seyfahrt und Boris Groys belegen. Seyfahrt nimmt eine Hamburger Ausstellung über Aby Warburg sowie eine Neuausgabe seiner Werke zum Anlass, einen fundiert erhellenden Einblick in das Denken und die Aktualität Warburgs zu geben. Groys dagegen untersucht künstlerische Selbstenthüllung und schlägt dabei gekonnt einen Bogen von der Antike bis heute. Ausgangspunkt seines Essays ist die Frage der Subjektivierung, die Foucault in den 70er Jahren intensiv erörtert hat und die Groys im Hinblick auf heutige Selbstenthüllungsstrategien aktualisiert. Er zeigt auf, wie eng die Selbstdarstellung (und Subjektivierung) von Künstlern mit ihrer künstlerischen Praxis verknüpft ist: „Die Subjektivität und Identität des Künstlers geht der künstlerischen Praxis nicht voraus: Sie sind die Ergebnisse, die Produkte dieser Praxis.“
Diese anspruchsvollen, gut recherchierten Artikel sind die Stärken des Magazins und bilden die Basis dafür, dass der Mut zur Nische im engen Kunstmagazinnetz belohnt werden könnte. Nicht alle Artikeln – und dies gilt besonders für die kurzen Ausstellungskritiken und Kolumnen – gelingt es jedoch, diesen Anspruch einzulösen, wirken sie doch etwas überladen oder unpräzise. Zudem ist das Inhaltsverzeichnis noch recht unübersichtlich ebenso wie die Einteilung in Vorne, Mitte, Hinten etwas unspezifisch ist. Der übersichtlichkeitshalber wäre es schön, wenn sich die englischen Texte auch in der Schriftform absetzen würden. Störend sind zudem ebenso wie in der englischen Ausgabe die Vielzahl ganzseitiger Werbeanzeigen.